Spezialradmesse Germersheim 1999

Germersheim 1999 Nach dem ich schon einiges über die Spezialradmesse gehört und gelesen hatte, stand mein Entschluss fest dieses Jahr einen Tag nach Germersheim zu fahren. Die Veranstaltung findet in der Stadthalle statt, in der die meisten deutschen und auch einige ausländische Spezialradhersteller mit ihren Ständen vertreten waren. Außerdem bestand auf dem Hof der angrenzenden Schule die Möglichkeit viele der ausgestellten Räder auch ausgiebig zu testen. Darüberhinaus gab eine ganze Reihe interessanter Dinge nicht nur zum Thema Liegerad und dank meiner fleißig photographierenden Tochter ist einiges davon auch auf dem Film festhalten worden . Im folgenden eine subjektiv gefärbte Auswahl der entstandenen Bilder mit ebenso subjektiven Kommentaren.
Kettwieselzug Das Kettwiesel-Dreirad bietet die Möglichkeit, beliebig viele Räder als eine Art Zug miteinander zuverbinden. Vor der Halle war ein solches Trio in Aktion zu sehen. Es diente als Shuttle um Besucher vom nahegelegenen Bahnhof abzuholen bzw hinzubringen. Jeder Mitfahrer kann seinen eigenen Beitrag zum Vorwärtskommen leisten, unabhängig von den anderen.
Hurricane Auf dem Testparcour nutzte ich die Gelegenheit ausgiebig, die verschiedensten Räder auszuprobieren. Das Hurricane von Challenge ist mit 35cm Sitzhöhe noch kein extremer Tieflieger. Der Klapplenker ist etwas gewöhnungsbedürftig, fährt sich aber nicht schlecht. Das Rad war für mich, wie auf dem Foto zu sehen ist, nur viel zu lang eingestellt. Ein Problem, das bei vielen Modellen bestand und das oftmals nur mit viel Aufwand behebbar war. Was dem Hurricane fehlt ist eine Federung des Vorderrades. Da die Beine sich neben dem Gabelkopf bewegen ist eine normale Teleskopgabel hier ungeeignet.
Hurricane am Stand Das gleiche Rad in der Austellungshalle, mit kleinem Heckkoffer, der von seiner Größe aber nur ausreicht das Gepäck für eine Tagestour aufzunehmen Ein Manko der Hurricane, das aus dem sehr kompakten Design resultiert, ist die eingeschränkte Möglichkeit zur Unterbringung von Gepäck. Für größere Touren sind speziell geschnittenen Taschen , die unter dem Sitz befestigt werden, die einzige Möglichkeit die Ausrüstung zu verstauen. Das Hurricane nicht gerade ein Reiserad.
Toxy mit Obenlenker Ein auch zum Reisen geeignetes Alltagsrad ist das Toxy von Quantum. Von diesem Rad waren gleich mehrere verschiedene Varianten auf der Testrunde unterwegs. Dieses Rad entsprach von seiner Geometrie sehr den eigenen Entwürfen für mein nächstes Selbstbauprojekt eines vollgefederten nicht zu hohen kurzen Liegerades das sowohl für die alltäglichen Wege als auch zum Tourenfahren über mehrere Tage mit langen Etappen geeignet sein soll. Die Räder von Quantum gehören zu den wenigen, die auch für kleinere Fahrer mit nicht so langen Beinen recht gut zu fahren sind. In der Halle war sogar eine Kinderradversion mit sehr kurzem Rahmen ausgestellt. Hier probiere ich gerade die Variante des Toxy mit Obenlenker aus, zu dessen Kauf ich mich wenige Wochen nach Germersheim entschloss
Quantum Toxy mit Heckkoffer Der große Heckkoffer hat ein ganz beachtliches Fassungsvermögen und kann damit viel Reisegepäck aufnehmen und vor dem Einfluss von Wind und Wetter zuverlässig schützen. Durch seine Form ist er aerodynamisch günstiger als am Gepäckträger befestigte Packtaschen. Nachteilig ist der höhere Schwerpunkt und die geringere Tragfähigkeit die vorallem durch die Befestigung bzw Abstützung begrenzt wird. Der Heckkoffer ist, wenn ich das richtig gesehen habe, mit 4 Schrauben direkt am Sitz befestigt und hat keine weiteren Abstützungen am Rahmen. Dadurch lässt er sich aber andererseits relativ einfach an- und abbauen.
Toxy mit geschobener Schwinge Eines der Räder von Quantum auf der Teststrecke war an Stelle der sonst üblichen Federgabel mit einer geschobenen Schwinge ausgestattet. Insbesondere das Bremsverhalten war deutlich anders, hebt sich doch beim starken Bremsen das Vorderteil des Rades an, anstelle wie von der Federgabel gewohnt, einzutauchen. Durch entsprechende Dimensionierung ist bei dieser Art der Vorderradfederung auch ein vollkommen neutrales Bremsverhalten erzielbar. Zur Beurteilung der Wirksamkeit dieser Federung war die Runde auf dem Schulhof aber zu eben. Trotz mehrerer Runden lässt sich nur wenig sagen ob dies eine gute Alternative zu den ansonsten verbauten Federgabeln sein kann.
Toxy Schwinge von Vorne Hier das gleiche noch einmal von vorne. Dies ist eine für Tieflieger vielleicht gar nicht so uninteressante Variante, da sie im oberen Bereich deutlich schmaler als eine Teleskopgabel ausfällt. Von der mechanischen Ausführung sieht alles aber noch sehr nach einem ersten Experimentierstadium aus.
Toxy ZR Tieflieger Wie viele andere Liegeradhersteller zeigte auch Quantum einen Tiefliegerentwurf, das Toxy ZR. Eine einseitig aufgehängte Hinterradschwinge, und Vorderradantrieb ähnlich dem ZOX20 sind die Merkmale dieses Rades. Moderne Schaltungsketten vertragen die beim Lenken im normalen Fahrbetrieb auftretende Verdrehung der Kette zwischen Umlenkrolle und Ritzel problemlos. Bedingt durch den gewählten Antrieb muss das Rad auf eine vordere Federung verzichten. Bisher gibt es keinen befriedigenden Lösungsvorschlag für eine funktionierende Federung eines gelenkten und angetriebenen Vorderrades.
Nöll Tieflieger Der vollgefederte Tieflieger von Nöll ist mit 28 cm Sitzhöhe sicherlich auch noch ein echter Tieflieger. Der Antrieb erfolgt, wie bei den meisten anderen Tiefliegern auch, konventionell auf das 26-Zoll große Hinterrad. Soweit ich es gesehen hatte, war es der einzige vollgefederte kommerzielle Tieflieger, der auf dieser Messe in Germersheim ausgestellt wurde.
Nöll geschobene Schwinge Das Rad ist vorne mit einer einseitigen, geschobenen Schwinge und Scheibenbremse ausgestattet. Diese recht aufwändige Lösung spiegelt sich auch im Preis wieder. Das Bremsverhalten sollte der am Toxy getesteten Version ähnlich sein, nicht Eintauchen sondern Aufstellen, bedingt durch die Übertragung des Bremsdrehmomentes auf die Schwinge. Die Hebelverhältnisse sind aber anders. Ein Testen dieses Rades außerhalb der Halle war leider nicht möglich, so dass ich nichts zum Bremsverhalten aus eigenem Erleben sagen kann.
Nöll Schwinge von Vorne Die Ansicht von vorne zeigt, wie schmal diese Gabel im Bereich des Gabelkopfes ist. Eine Voraussetzung für den Einsatz in einem Tieflieger. Eine ähnliche schmale Bauweise ist sonst nur mit Head-Shock Elementen möglich. Vom Preis her gibt es zwischen beiden Möglichkeiten keinen Unterschied.
Tester Tieflieger Auch das Tester von Challenge ist mit 26cm Sitzhöhe und seinem großen Hinterrad - ebenfalls 26" - ein echter allerdings komplett ungefederter Tieflieger. Im Hintergrund die 26" Variante des Hurricane, dann unter dem Namen Distance. Mit 61cm Sitzhöhe macht es seinem Namen alle Ehre. Im Gegensatz zu den anderen Rädern von Challenge wirkte es für mich irgendwie unproportioniert - wie ein zu groß geratenes Kinderrad.
Tripendo Kurvenleger Dreirad Das Tripendo ist wohl eines der teuersten unverkleideten Dreiräder auf der Welt. Zusätzlich zum üblichen Lenker gibt es noch einen zweiten Hebel, mit dem die Neigung der Räder zum Rahmen verändert werden kann. Damit kann der Fahrer sich mit dem ganzen Rad in die Kurve legen. Von den Vorteilen dieser Neigetechnik konnte ich mich nicht selbst überzeugen, da das Rad bei seinem Erscheinen auf der Teststrecke sofort dicht umlagert war. Ob sich dieses Interesse auch irgendwann in der Zahl der verkauften Modelle wiederspiegelt, mag ich nicht einzuschätzen. Hinzu kommt, dass trotz der Verwendung von Carbon für den Rahmen, dieses unverkleidete Dreirad unverhältnismäßig schwer ist, schwerer als manches vollverkleidete Trike.
Kalle Hecklenker Reiner versuchte sich auch im Probefahren auf einem der wohl ungewöhnlichsten Räder, dem Kalle Hecklenker. Bei diesem Rad wird das kleine Hinterrad durch zwei Hebel gelenkt, während der Sitz fest mit dem angetriebenen Vorderrad verbunden ist. Ähnlich wie bei den Knicklenkern, z.B. dem Flevo-Bike muss das Fahrradfahren auf diesem Rad neu gelernt werden. Es gelang Reiner nicht, eine längere Strecke auf dem Rad zurückzulegen, obwohl oder gerade weil er Flevo-geschädigt ist. Hinzu kommt, dass Hecklenker im Unterschied zur Vorderradlenkung in keinem Geschwindigkeitsbereich eigenstabil sind.
Birdy Faltrad Das Birdy-Faltrad von Riese und Müller. Für eine Rad mit verhältnismäßig kleinen Rädern fährt es sich ganz gut und stellt eines der ausgereiftesten Faltradvarianten dar. Auch für längere Touren ist es eine gute Lösung, wenn für An- oder Abreise das kleine Packmaß notwendig ist gibt es. Leider gibt es für dieses Rad noch keinen Umbausatz zum Liegerad. Ein solcher wurde aber für das Brompton Faltrad vorgestellt.
Brompton Faltrad Das Brompton-Faltrad und der Liegerad-Umbausatz waren sowohl in der Halle zu bewundern als auch auf der Teststrecke zum Probefahren ausgestellt. Ich selber kenne das zum Liegerad umgebaute Brompton von mehreren längeren Fahrten durch Hamburg und Umgebung und bin über das angenehme Fahrverhalten immer wieder überrascht.
Hochrad Ein besonderes Schmuckstück war dieses Hochrad. Man beachte die Anordnung der Karbidlampe direkt unterhalb der Nabe. Leider ist dieses interessante Detail auf dem Bild nicht so gut zu erkennen.

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