Mo. 9.7 Rudbøl - Esbjerg

99,2km
Unsere erste richtige Fahretappe in diesem Urlaub folgte fast genau der Nordsea-Cycle-Route, die mit dem dänischen Radfernweg 1 identisch ist. Die meiste Zeit fuhren wir so durch ausgedehntes Marschland. Felder und Wiesen wechselten mit flachen Wasserflächen ab, die meist nur durch die großen Schilfbestände auffielen, dazwischen mal schmalere, mal breitere Wassergräben und einige Kanäle, die auch von Booten befahren werden.

Die erste wirkliche Abwechslung auf dieser Strecke, den kleinen Ort Hoyer, passierten wir ganz am Anfang. Nach etwas mehr als 10km standen wir vor der großen Holländerwindmühle. Mit 22m Höhe ist die vor 150 Jahren erbaute Mühle die höchste ihrer Art in ganz Nordeuropa. In ihrem Inneren wurde auf sieben Etagen gearbeitet. Heute beherbergt sie ein Marsch- und Mühlenmuseum, das sich der Geschichte

Bild 1.4: Marsch- und Mühlenmuseum in Hoyer
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dieser Region widmet. Viel Betrieb war nicht. An den Nebengebäuden werkelten zwei Zimmerleute. Kurz nach uns traf ein Campingbus ein, dessen Insassen sich mit dem Studium der vor dem Museum aufgestellten Informationstafeln begnügten, bevor sie weiterfuhren. Auch wir verweilten hier nicht sehr lange, lud doch das sonnige Wetter zum Weiterfahren ein, auch wenn Hoyer noch so manch andere Sehenswürdigkeit bietet, die man dem kleinen Ort auf den ersten Blick nicht ansieht. So steht hier das einzige mit Schilf gedeckte Rathaus Dänemarks.

Nur ein kurzes Stück weiter, in Emmerlev Klev, sahen wir zum ersten Mal auf dieser Reise die Nordsee. Die Nordsea-Cycle-Route bog schon 500m vorher wieder ins Marschland ab. Ohne diesen Abstecher auf die etwas höher gelegene Klippe, zumindest weist der Name Klev auf eine solche hin, hätten wir das Meer erst viel später, bei einem Blick über die Deichkrone zu sehen bekommen. Von hier bot sich ein weiter Blick auf das Wattenmeer und die beiden Inseln Sylt und Rømø.

Bild 1.5: Blick übers Meer
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So schön der Blick von hier aus über das Meer, so unattraktiv sah es hinter uns aus. Wir standen direkt auf dem Parkplatz vor dem neu erbauten Apartmenthotel, das nun mit dem Blick aufs Wattenmeer wirbt.

Von Ballum an verläuft die Radroute 1 über viele Kilometer direkt hinter dem Hauptdeich entlang. Mehr als lästig sind dort die vielen verschlossenen Tore, die jeweils nur einen kleinen Durchlass an der Seite haben, der mit wenigstens einer , manchmal aber auch zwei Klapptüren hintereinander versehen ist. Jedesmal bedeutete ein solches Hindernis für uns anhalten, absteigen und den Zug ganz vorsichtig hindurchfädeln, was meist auch mit einem Umheben des hinteren Kettwiesels und des Anhängers verbunden war, da der Platz, den die Büsche und Gräben an der Seite noch frei ließen, nicht ausreichte, durch diese Stellen gerade hindurchzufahren. So kamen wir hier nur sehr, sehr langsam voran, da sich dieses Spiel etwa alle 500m wiederholte, jedesmal wenn eine Schafsweide zu Ende war und die nächste begann.

Bild 1.6: In einer Schafsgatterschleuse
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Nach nicht einmal 5km, für die wir fast eine Stunde benötigten, hatten wir von der Nordsea-Cycle-Route erst einmal genug. Über eine der Deichzufahrten gelangten wir wieder auf die parallel verlaufende Straße, auf der wir zuvor schon ein ganzes Stück gefahren sind, ohne das der Verkehr uns störte. So kamen wir bis zum Abzweig zur Insel Rømø. Einen Besuch auf dieser Insel hatten wir nicht eingeplant, auch wenn diese Insel mit ihren Badestränden im Sommer einen Besuch wert sein soll. Jetzt in der Hochsaison dürfte dort richtig viel Betrieb sein. In Brøns zogen wir es nach einem kurzem Studium der Karte vor nicht mehr den Ausschilderungen der Radroute 1 sondern dem Grønne Kystvej zu folgen, zumal es an der Straße einen gut ausgebauten Radweg gibt.

Um etwas mehr Abwechslung zu haben und nicht nur die Landschaft direkt hinter dem Deichen kennenzulernen verließen wir bei Vesteredsted endgültig unsere geplante Route und statteten Ribe, der ältesten Stadt Skandinaviens, einen kurzen Besuch ab. Die Silhouette der Stadt wird durch den mächtigen weithin sichtbaren Dom bestimmt, der die kleinen mittelalterlichen Häuser weit überragt. Nachdem sich Mitte des 17. Jahrhunderts die Warenwege nach Dänemark veränderten, verlor auch Ribe seine Bedeutung. Der am Fluss Ribe Å gelegene Hafen, bis dahin der bedeutendste Nordseehafen Dänemarks, versandete. So blieben viele der Häuser aus dieser Zeit bis heute erhalten, mussten in der Vergangenheit keinen Neubauten weichen. Heute stehen etliche von ihnen

Bild 1.7: In den Gassen von Ribe
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unter Denkmalschutz. Mit deren Erhaltung hatte ein Touristen- und Schutzverein schon vor 100 Jahren begonnen. Hinter manchem der alten Tore öffnet sich ein bemerkenswerter Blick in die Höfe mit ihren ebenso einzigartigen Nebengebäuden. Die lange Geschichte Ribes spiegelt sich auch in der Zahl an Museen wieder. Eines von ihnen widmet sich auch der Wikingerzeit.

Bei unserer Runde durch die Altstadt sahen wir auch eine weitere dänische Besonderheit, die Fensterspiegel. Diese Beobachtungsspiegel gibt es etwa seit 1800. Ganz unauffällig, vom besten Platz am Fenster, konnte so die Straße in beiden Richtungen eingesehen werden. So eine Art Fernsehen der Vergangenheit.

Wie fast immer bei solchen Kurzbesichtigungen war viel zu wenig Zeit auch nur einen Bruchteil der Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Dennoch war es eine sehr interessante Abwechslung in der Gleichförmigkeit der Marschlandschaft, die wir auch auf dem letzten Stück bis Esbjerg durchfuhren. Auf diesem letzten Abschnitt zwischen Kammerlusen und Esbjerg fehlten die Klappen in den Schafsgattern, statt dessen waren in den Schleusen Roste eingebaut. Dadurch war das Durchfahren wesentlich einfacher.

Bild 1.8: Wieder bei den Schafen am Deich
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Nun sitzen wir im Kaminzimmer der großen Jugendherberge von Esbjerg und lassen den Tag noch einmal Revue passieren. Morgen früh nach dem Frühstück wird sich zeigen, ob die vier Schweden, die mit uns heute früh in Rudbøl gestartete waren auch hier in der Jugendherberge untergekommen sind, so wie sie es uns gesagt hatten. Während des Tages waren wir uns mehrmals an den verschiedenen Stellen begegnet, zuletzt in Ribe.

schaefer 2008-12-07