Do. 12.Oktober Fulignano - Impruneta

48,9km; 1000Hm
An diesem Abend ist unser Reisetagebuch leer geblieben. Das lag nicht am Mangel an Erlebnissen sondern eher an deren zuviel. So blieb uns
Bild 1.97: Blick auf das Örtchen Linari unweit von Poggibonsi
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nach der Rückkehr nichts anderes übrig, als diese Zeilen aus der Erinnerung heraus zu schreiben, unterstützt durch die wieder große Anzahl an aufgenommenen Bildern.

Relativ schnell hatten wir den dichten Verkehr um Poggibonsi hinter uns gelassen. Auf kleinen Nebenstraßen steuerten wir nach Norden, direkt in Richtung Florenz. Unser Weg führte durch das kleine Örtchen Linari, das sich zu einem großen Teil in Privatbesitz befindet. Die Straße verläuft in einem Bogen irgendwie immer dicht am Ortrand entlang und am Ortkern mit der Kirche vorbei. Am nördlichen Zufahrtstor verwehren mehrere Schilder unautorisierten Personen den Zutritt. Die großen Fässer, die vor den Häusern hinter dem offenstehenden Tor aufgestellt sind, deuten auf den Sitz eines größeren Kellereibetriebes hin.

Bild 1.98: Weinkellerei in Linari
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Von Linari aus ging die Straße extrem steil bergab, so steil, das wir uns trotz des recht guten Belages nicht trauten dem Rad auch nur ansatzweise freien Lauf zu lassen. Mit gezogenen Bremsen rollten wir langsam ins Tal hinunter, um auf der anderen Seite auf den nächsten Hügel zum nächsten Ort zu gelangen, dessen Häuser hinter den Bäumen eines kleinen Wäldchens schon zu sehen waren. San Appiano liegt keine 2km entfernt. Bemerkenswert fanden wir die Kirche des Ortes, das heißt, vielmehr die Tatsache, dass auf der Wiese direkt vor dem Kirchenportal die Säulen eines Gebäudes aus der Zeit der Römer standen. Leider fand sich kein Hinweis auf ihren Ursprung. Mag sein, dass sie erst in der jüngeren Zeit hier wieder aufgestellt wurden. Da es im Kirchturm, im Unterschied zu Linari keine Glocken mehr gibt, liegt die Vermutung nahe, dass auch dieses Kirchengebäude heute anderen Zwecken dient und diese ganze Anlage eine private ist. Dafür spricht auch, dass es faktisch keinen sichtbaren Weg über die Wiese von der Treppe, die von der Straße hier hoch führt, zum Portal gibt.

Bild 1.99: Die Kirche von San Appiano
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Beinahe wären wir an Barberino Val d Elsa vorbeigefahren. Auch dieser Ort wurde auf einer langgezogenen Hügelkuppe errichtet. Die Straße führte unterhalb der Stadtmauer entlang. Das südliche Stadttor hatten wir übersehen und erst die Treppen die von der Straße aus nach oben führten machten uns neugierig. Durch das nördliche Stadttor, die Porta Florentina, gelangten wir auf den Piazza Barberini vor dem Rathaus. Die alte Römerstraße Via Cassia, die Florenz mit Rom verbindet, verlief einst mitten durch den Ort. Dementsprechend sind auch die beiden Stadttore aus dem 14. Jahrhundert benannt. Wie die meisten kleineren Orte, die wir in der Toskana in den letzten drei Wochen besucht hatten, wird das Stadtbild durch die mittelalterlichen Häuser und die schmalen Gassen bestimmt, in denen sich auch viele bemerkenswerte Details erhalten haben. Abseits der großen

Bild 1.100: Wasserspender in Barberino Val d Elsa
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Touristenströme gelegen, herrschte jetzt zur Mittagsstunde wohltuende Ruhe. Nur eine Katze räkelte sich faul auf einem Autodach, genoss die Wärme der herbstlichen Sonne und ließ sich durch unsere Anwesenheit nicht stören. Wir verweilten noch einen kleinen Moment in diesem beschaulichen Städtchen, bevor wir wieder aufbrachen.

Der nächste Ort, Tarvanelle Val di Pessa, hat dagegen nicht viel zu bieten. An der zunehmenden Anzahl moderner, neu erbauter Wohnhäuser spürt man langsam die Nähe der Großstadt Florenz. Hier verließen wir die Via Cassia und folgten wie geplant der von der Kommune ausgeschilderten Radroute 2. Die Schotterstraße, die kurz hinter dem Ortsausgang begann, schlängelte sich durch die, nun abgeernteten Weinberge. Von den Hügeln bietet sich jedesmal ein anderer Blick auf die für das Chianti typische Landschaft mit Weinbergen, Olivenhainen und dazwischen grüne Wiesen. So schön wie dieser Weg ist, so anstrengend ist er zu fahren, zumal einige der Anstiege so steil waren, dass wir unser Rad bergauf ziehen mussten. Nicht umsonst hatte die Gemeinde ihre Hinweisschildchen sowohl mit dem Zusatz MTB als auch mit einem Wander- und einem Reitersymbol versehen. Als dann eine kleine Asphaltstraße kreuzte, reichte ein kurzer Blick auf die Karte und unser Entschluss stand fest. Wir verließen unsere geplante Route und bogen nach links in Richtung San Pancrazio ab.

Impruneta ist nicht nur der erste Ort an der Via Chiantigiana und ein bekannter Weinort sondern vorallem die Terrakotta-Stadt in der Toskana. Direkt am Stadtrand staunten wir nicht schlecht über die Vielfalt an Skulpturen und Amphoren, die in allen Größen hinter einem Zaun zwischen alten Olivenbäumen aufgestellt waren. Für viele der schönen Aphroditen und kräftigen Jünglinge standen wohl bekannten Mamorstatuen aus der Römerzeit Vorbild. Sie alle warteten noch auf ihren Käufer.

Bild 1.101: Bacchus im Terrakotta Garten
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Nachdem wir uns in unserem Hotel am östlichen Stadtrand eingerichtet hatten, sind wir zu Fuß noch einmal ins Stadtzentrum aufgebrochen. Dem Ort, dessen Ursprünge bis in die Zeit der Etrusker zurückreichen, sieht man sein Alter heute nicht mehr an. Viele Häuser sind nach den Zerstörungen des letzten Weltkrieges neu aufgebaut worden. Lediglich das Rathaus und die Kirche und die dazugehörigen Bauten erinnern noch an die mittelalterlichen Wurzeln. Heute fließt der starke Verkehr mitten durch den Ort. Der Marktplatz wird als großer Parkplatz genutzt. Dennoch lud an dessen Rande ein kleines Straßencafe zum Verweilen und zu einem Espresso ein. So gestärkt bummelten wir weiterer durch die kleinen Seitengassen. Über all ist zu merken, dass wir uns in einem Mekka des Terrakottahandwerks befinden. An mehreren Stellen vor den Häusern am Marktplatzes stehen als

Bild 1.102: Briefkästen in Impruneta
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Zierde mannshohe Amphoren und an vielen Häusern sind die Briefkästen ebenfalls aus dem typisch rotbraunen Ton gebrannt. Impruneta hat auch allen Grund auf dieses Handwerk stolz zu sein, sind doch auch die Dachziegel des Domes von Florenz hier gebrannt worden.

Nach dieser ausgiebigen Stadtbesichtigung kehrten wir zum Abendbrot im Hotelrestaurant ein und ließen den letzten Tag in der Toskana mit einer Flasche Chianti-Weines ausklingen.

schaefer 2007-10-07