Heute war ein ereignisreicher Tag. Bei schönem Wetter, Sonne und Wolken wechselten sich in schneller Folge ab, Regen fiel nur dort wo wir gerade nicht waren, kamen wir zügig voran. Das Stück auf der E8 fuhr sich bei wenig Verkehr und gutem Straßenbelag recht flott. Die Straße verläuft hier mal mit mehr, mal mit weniger Abstand zum Grenzfluss und hat dementsprechend kaum Anstiege. So waren wir bald in Palojoensuu. Hier bogen wir wieder in Richtung Nordosten ab, nach dem wir uns zwangsweise erst einmal von unserem Ziel wieder entfernt hatten. Die Luftlinie von Kaaresuvanto, dem finnischen Teil des Grenzortes, nach Leppäjärvi ist nur knapp halb so lang wie unsere Fahrstrecke, aber es gibt keinen anderen Weg.
Bei unserem letzten Stopp vor Hetta zogen in aller Ruhe kurz vor uns zwei Rentiere über die Straße, würdigten uns eines kurzen Blickes und nahmen dann von uns dabei keinerlei Notiz mehr. Zuvor schon war es eine lange Zeit ganz ruhig, außer dem entfernten Geschrei der Wildgänse, die sich schon für ihren Zug nach Süden sammeln, und dem Gezänk einiger Krähen war nichts zu hören. Eine Stille die wir so nicht kennen und die wir bisher auch so intensiv nicht erlebt hatten.
In Hetta, dem Zentrum der Gemeinde Enontekiö, galt es die Vorräte wieder aufzufüllen. Der Ort ist über eine große Fläche verstreut. Der Kirchturm markiert weithin sichtbar die Ortsmitte, in der wir auch eine Einkaufsmöglichkeit vermuteten. Vor dem Supermarkt parkten Autos aus allen drei Ländern.
Von Hetta aus ging es weiter Richtung Norden. Etwa 8km vor unserem Ziel kam uns ein Fahrzeug entgegen, das sich nicht identifizieren ließ. Auf der fast schnurgeraden Straße war es schon aus großer Entfernung zu sehen. Für ein Auto zu klein und zu leise, für einen Radfahrer zu breit und zu flach. Erst aus der Nähe stellte sich heraus, das es ein Trike mit Zipper und Anhänger war, das in seiner Form von weitem einem kleinen Auto gar nicht so unähnlich scheinen kann. Der Fahrer, ein Engländer war schon seit Mitte Juni auf
Tour. Erst führte ihn seine Reise durch England, Schottland und die Shetlandinseln Inseln, dann weiter durch Süd- und Mittelnorwegen. Von Bodo bis Honningsvâg hat er die Hurtigrute benutzt, ohne langes Vorbuchen, einfach auf gut Glück und mit Erfolg. Nun wollte er weiter nach Südfrankreich, wieder in wärmere Gefilde und von dort über Gibraltar zurück nach Hause, nach England. Auf seiner Rückfahrt vom Nordkap hat er auch den Nordkaptunnel benutzt, um keine Probleme mit dem Autoverkehr zu haben morgens um halb 4. Mit seiner Schilderung hat er uns doch etwas Respekt vor diesem Abschnitt eingeflößt. Während wir uns noch am Straßenrand unterhielten, stieß ein weiterer Radler auf seinem mit viel Gepäck beladenem Rad dazu. Er kam aus Süddeutschland, der Sprache nach zu urteilen, und war ebenfalls auf dem Rückweg vom Nordkap. Auf dem Weg dorthin, er ist schon seit zwei Monaten auf Tour durch Norwegen, hat er bisher 4500km zurückgelegt. Seine Route führte ihn über einige der bekannteren norwegischen Radrouten. Zwischendurch ist er in Schweden Kanu gefahren und hat auch einige Bergwanderungen unternommen. Auf diese Weise bekommt man noch mehr von der faszinierenden Landschaft mit. Nun sucht er einen kurzen Weg nach Hause. Die Inlandsroute über die wir gekommen sind schien ihm aber zu weit für sein restliches Zeitbudget und so wollte er via Stockholm fahren. Nach dem wir noch die e-Mail Adressen ausgetauscht hatten fuhren alle wieder ihres Weges.In unserem Quartier angekommen mussten wir feststellen, dass die Uhren in Finnland anders gehen. Es gilt hier die osteuropäische Zeit und die ist uns eine Stunde voraus. Damit wurde die Zeit bis zum Abendbrot, das uns hier recht preiswert angeboten wurde, wieder Erwarten recht knapp. Auf eine ausgiebige Nutzung der Sauna haben wir dennoch nicht verzichtet. In einem extra Holzhaus direkt am Seeufer war ein Saunaraum eingerichtet, ausgestattet mit einem holzbeheizten Saunaofen, in dem das Feuer schon kräftig loderte. Im Vorraum stand ein großer Wasserkessel, der ebenfalls mit Holz geheizt wurde. Von hier führte auch eine Treppe direkt in den kleinen See, an dem auch unsere Hütte stand. Wir hätten die Sauna, die wieder eine Wohltat war, gerne noch länger genutzt, aber das Abendbrot wartete schon auf uns. Es gab Rentierfleisch mit Kartoffelbrei, Preiselbeeren und Pilzen. Uns hat es hervorragend geschmeckt.
Am Abend sind wir wie an allen Tagen noch zu Fuß eine Runde durch die unmittelbare Umgebung gelaufen. Für Pilzsammler scheint hier ein wahres Paradies zu sein. Innerhalb kürzester Zeit wäre ein Korb gefüllt gewesen. Am Ufer der keinen Seen stand immer mal wieder eine kleine Hütte, von der wir annahmen, dass sie eine Sauna beherbergt. Auf unserem Rundgang fiel uns ein etwas merkwürdiges, von außen eher unscheinbares Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft auf. Als wir davor standen, sahen wir, dass es sich um eine Kirche handelte. Die Tür war nicht verschlossen und so konnten wir auch einen Blick in den Innenraum werfen. Auch die Inneneinrichtung wirkte auf uns für eine Kirche ungewöhnlich, wurde sie doch durch eine große eiserne Feuerstelle in der Mitte des runden Raumes dominiert. Um diese herum waren an der Wand eine Anzahl Bänke aufgestellt. Erst in Berlin haben wir einiges mehr über den Læstadianismus als Religion der Samen und seine Rolle bei der Durchsetzung des Christentums erfahren.
Den Abend lassen wir nun in unsere Hütte sitzend, mit Blick aus dem Fenster auf den See bei einem finnischen Bier ausklingen. Wir dachten es sei finnisches Bier, das wir in Hetta gekauft hatten, aber hinter ,,Hartwall Legenda``verbirgt sich nichts anderes als Dortmunder Bier. Das ist wohl eine der nur lästigen Folgen des vereinten Europa
Peter Schaefer 2006-02-18