Von der Jugendherberge steuerten wir auf kleinen Nebenstraßen durch eine leicht hügelige Landschaft, die von ausgedehnten Feldern und Weiden beherrscht wird, in Richtung Norden um wieder in die Nähe der Küste zu gelangen. Die Jugendherberge in Skinnerup liegt über 10km Luftlinie von der Nordsee entfernt. Bei Nors hatten wir die Nordsea-Cycle-Route wieder erreicht, die hier auch einen großen Schlenker ins Landesinnere macht und in einem weiten Bogen um das Hanstholm Wildreservat herum führt. In diesem fast 40 Quadratkilometer großem Gebiet haben viele zum Teil seltene Vogelarten ihre Brutplätze. Daher ist diese, an kleinen und kleinsten Seen und Tümpeln reiche Dünen und Heidelandschaft auch für Fußwanderer gesperrt.
An zwei Stellen legten wir auf der heutigen Etappe eine etwas längere Pause ein. Wir waren am morgen recht zeitig aufgebrochen und konnten uns so etwas mehr Zeit lassen.
In Hanstholm besichtigten wir die Außenanlagen des Festungsmuseums. Fast auf der gesamten Länge der dänischen Nordseeküste sind die Hinterlassenschaften der deutschen Besatzung während des zweiten Weltkrieges zu finden. Hier in Hanstholm befand sich eine der größten Befestigungen des Atlantikwalls mit insgesamt vier 38cm Schiffsgeschützen von Krupp mit einer maximalen Reichweite von 55km. Von hier aus sollte die Einfahrt in den Skagerrak und damit zur Ostsee kontrolliert und blockiert werden. Eine ähnlich ausgestattete Festungsanlage befand sich auch in Norwegen, in der Nähe von Kristiansand.
In einem der ehemaligen Geschützbunker und in dem neben den Bunkeranlagen errichteten, architektonisch auffälligen Neubau ist heute ein Museum eingerichtet, in dem nicht nur die Geschichte dieses Teils des Atlantikwalls dokumentiert ist. Auch die alte Feldeisenbahn, mit der die fast eine Tonne schweren Granaten aus den Munitionsbunkern zu den Stellungen transportiert wurden, ist wieder aktiv, um Besucher durch einen Teil des weitläufigen Festungsareals zu fahren. Die hiesigen Anlagen dienten auch als Drehort für den Film Die Olsenbande fährt nach Jütland, in dem Egon Olsen und seine Mitstreiter in den alten Munitionsbunkern nach hier zu Kriegsende versteckten gefälschten Dollarnoten suchen.Im Unterschied zu der Mehrzahl der Besucher hielt sich unsere Begeisterung für die militärischen Hinterlassenschaften des Dritten Reiches sehr in Grenzen. Wir begnügten uns mit einem Rundgang durch die ausgedehnten Außenanlagen. Das gewaltige Fundament eines der ehemaligen Geschütztürme lässt erahnen, welch immenser Einsatz an Material und Arbeitskräften, darunter auch Zwangsarbeiter, zur Errichtung der gesamten Festungsanlagen des Atlantikwalls notwendig war. Einen nennenswerten Einfluss auf den Kriegsverlauf hatten sie dagegen nicht.
Nach diesem Rückblick in die jüngere Vergangenheit setzten wir unseren Weg Richtung Vigsø fort. Vom diesem Ort führt eine gut befahrbare Straße bis fast an den Strand. Bei dem schönen Wetter schien uns hier eine gute Gelegenheit zum ersten Mal in unserem Urlaub in der Nordsee zu baden. Am Strand waren auch etliche Strandwanderer unterwegs, aber soweit wir auch sehen konnten, im Wasser war kein Badender zu sehen. Nur einige Bunkerruinen lagen im Wasser. Nachdem Edda vorsichtig mit den Füßen die Wassertemperatur ausprobiert hatte, war uns auch klar, warum. Es war einfach ausgesprochen kalt. So blieb es bei einem kurzen Fußbad in den heranrollenden kleinen Wellen. Auch bot der steinige Strand keinen so richtige geeigneten Platz zum Verweilen an. Am bequemsten saß es sich noch auf den Stufen der Treppe, die zum Strand herunter führte.
An den Bunkerruinen, die zum Teil 100m weit im Wasser lagen sieht man ganz deutlich, wie das Meer hier den Strand abträgt. Es ist keine 70 Jahre her, da wurden sie oben auf den Stranddünen errichtet. Heute wirken sie wie überdimensionale Buhnen, die den Kormoranen als willkommener Rastplatz dienen der Wucht, der Wellen etwas die Kraft nehmen und dabei sehr langsam selber zerfallen.
In den Dünen bei Vigsø versteckt sich eine ausgedehnte Ferienhausanlage. Dicht an dicht stehen sie in Reih und Glied. Man sieht erst nur die Dächer über das Gras hinausragen, bis sich dann die einheitlichen Häuschen in ihrer ganzen Uniformität zeigen. Nach dieser Ferienhausdichte hätten wir hier wesentlich mehr Urlauber am Strand erwartet. Wahrscheinlich sitzen sie alle windgeschützt auf den kleinen Terrassen an der Südwestseite.
Den zweiten längeren Stopp legten wir am Vogelfelsen Bulbjerg ein. Der Weg dorthin über viele kleine Nebenstraßen verlief durch die typische Dünen- und Heidelandschaft. Mitten in diesem Meer aus Sand ist der 47 Meter hoch aufragende Kalksteinfelsen etwas ganz besonderes. Er ist der letzte Überrest einer größeren ehemaligen Insel, die vor etwa 10000 Jahren hier aus dem Meer herausragte. Mit der Landhebung nach der letzten Eiszeit zog sich die Nordsee langsam zurück. Ehemaliger Meeresboden umgibt den Felsen im Osten, Süden und Westen. Bulbjerg ist der einzigste Vogelfelsen in Dänemark. An seinen steilen Abhängen brüten die Dreizehenmöve, eine Möwenart aus dem Nordatlantik. In manchen Jahren finden sich hier auch einige Brutpaare des selteneren Eisvogels ein.
Die Reste der Felsnadel, die bis vor 20 Jahren, bis zu ihrem Zusammensturz bei einer Sturmflut, vor dem Felsen aus dem Meer ragte, konnten wir nicht mehr ausmachen, auch wenn dies in den Reiseführern noch geschrieben steht. Mag sein, das heute Nachmittag der Wasserstand dafür zu hoch war.
Von Plateau oben auf dem Felsen hat man ein weite Aussicht über das Meer. Aus diesem Grunde befand sich hier oben während des zweiten Weltkrieges auch ein Radar- und Beobachtungsposten für die Geschützstellungen der deutschen Besatzungsmacht in Hanstholm. Überall in den Dünen findet man noch die Bunkerreste aus dieser Zeit. In dem Beobachtungsstand oben auf dem Plateau ist eine kleine Ausstellung die nicht nur über die Geologie des Felsens und über die Biologie seiner Bewohner sondern auch über dieses Kapitel der dänischen und deutschen Geschichte informiert.
Der nächste Abschnitt des Radweges verlief auf den Betonplatten, die die Wehrmacht als Zufahrtsstraßen zu ihren Bunkern vor über sechzig Jahren hier in den Dünen verlegt hatten. Auf dem sich anschließenden streckenweise frisch gekiesten Weg blieben wir mit einem Mal in den mit lockeren runden Steinen aufgefüllten Löchern regelrecht stecken. Hier half uns nur noch, das Rad hinter uns herzuziehen, bis der Weg wieder besser wurde. So konnten wir die uns umgebenden Dünen mit ihrem Bewuchs aus Heidekraut, Strandhafer und flachen Sträuchern und die hier herrschende Ruhe nur eingeschränkt auf uns wirken lassen.
In der Vester Torup Klitplantage hielten wir an einem Kunstwerk mitten im Wald noch einmal an. Eine kleine Informationstafel neben dem an eine chinesische Pagode erinnernden Eingangstor gab auch darüber Auskunft, wer hier im letzten Jahr die Bäume in solch eigenartiger Weise umgestaltet hatte. Leider haben wir uns den Namen nicht gemerkt.
Fjerritslev ist eine typische, vom Tourismus geprägte Kleinstadt mit etlichen Ge"-schäf"-ten und auch einigen Restaurants. In der Fußgängerzone herrschte auch am frühen Abend noch reger Betrieb. Die Jugendherberge liegt nur wenige Minuten Fußweg davon entfernt. Dennoch hatten wir uns entschieden, unsere Einkaufsrunde mit dem Rad zu absolvieren.
Nach dem Abendbrot war heute noch Waschtag, dank Waschmaschine und Trockner, die zur Grundausstattung fast jedes Dan-Hostels gehört, kein Problem.
schaefer 2008-12-07