95000 Kilometer und 15 Jahre lang ist die Rohloff 500/14 nun im ununterbrochenen Alltagseinsatz. Bei jedem Wetter, ob Sommer oder Winter, hat sie bisher zuverlässig ihren Dienst getan und wird dies hoffentlich noch etliche weitere Zehntausende von Kilometern tun. Dem im November 2000 für die InfoBull 97 geschriebenen Erfahrungsbericht gibt es nicht viel hinzuzufügen. Die anfänglichen Probleme mit den Dichtungen sind schon seit langem überwunden. Die letzten mussten erst nach mehr als 5 Jahren gewechselt werden.
Seit nunmehr 16 Monaten fahre ich eine Speedhub 500/14 in meinem Liegerad, einem Quantum Toxy. Die Nabe war gleich von Anfang an in diesem Rad eingebaut. Nun sind die ersten 10000 km im Alltagsverkehr, ein Großteil davon auf den täglichen Wegen durch Berlin, zurückgelegt.
14 Gänge mit einem Drehgriff hintereinander durchschalten zu können ohne zumindest im Unterbewusstsein zu entscheiden, ist jetzt der Umwerfer oder das Schaltwerk, rechter oder linker Schalthebel dran, oder gar beide zu betätigen, ist schon ein kleiner Luxus am Rad. Die Nabe lässt sich auch noch problemlos unter Last schalten, ohne das der Bewegungsablauf unterbrochen werden muss. Das schnelle Hochschalten bei einem Ampelstart, eine im Stadtverkehr häufige Übung, geht wenigstens genauso zügig und ohne Unterbrechung der Tretbewegung, wie mit einer guten Kettenschaltung. Überspringen einzelner Gänge ist, wenn gewünscht, ohne weiteres möglich. Die notwendige Schaltkraft nimmt aber mit zunehmendem Pedaldruck zu. Lediglich der Übergang zwischen dem 7. und 8. Gang erfordert für ein sauberes Schalten, den Druck auf die Pedale kurzzeitig zu verringern, sonst schaltet sich der 14. Gang ein. Dieses Verhalten wird von Rohloff als Schutz gegen eine Überlastung beschrieben. Aus der weiter unten erläuterten Funktionsweise des Getriebes wird klar, das bei diesem Gangsprung beide Getriebestufen geschaltet werden. Bei allen anderen Gangwechseln treten solche Effekte nicht auf. Der eigentliche, große Vorteil einer Naben- gegenüüber einer Kettenschaltung liegt aber in der Möglichkeit, daß jeder Gang auch im Stand eingelegt werden kann - gerade im Berliner Verkehrsgetümmel ein unschätzbarer Vorteil.
Mit dem großen Kettenblatt (53 Zähne) und dem Standardritzel mit 16 Zähnen ergibt sich ein Entfaltungsbereich von 1.4 bis 7.3 Meter. Für meinen Einsatzbereich und Fahrstil ist das ausreichend. Bei den von mir gefahrenen Geschwindigkeiten kann ich so die Gänge in der Nähe des direkten 11. Ganges nutzen. Der Entfaltungsbereich lässt sich durch die Verwendung eines größeren Kettenblattes oder eleganter durch das neue 13er Ritzel, das Rohloff extra für Liegeradfahrer anbietet, weiter nach oben verschieben. Bei der von mir gefahrenen Primärübersetzung und dem kleinen 20 Zoll Hinterrad wird die maximal noch fahrbare Steigung dadurch begrenzt, dass das Vorderrad so stark entlastet wird, dass es den Bodenkontakt verliert. Auch das spricht eigentlich für eine höheres Übersetzungsverhältnis vom Kettenblatt zum Ritzel.Bedingt durch das kleine 20 Zoll Hinterrad und die Konstruktion der Hinterradschwinge konnte die Anbringung der notwendigen Drehmomentstütze und die Verlegung der Schaltzüge nicht optimal gelöst werden, geht doch die Konzeption der Firma Rohloff von einem Einsatz in Rädern mit 26 Zoll Durchmesser oder größer aus. Die Anordnung der Drehmomentstütze oberhalb der Schwinge ist beim Aus- und Einbau des Hinterrades hinderlich. Eine wesentlich elegantere Lösung ist möglich, wenn die Drehmomente direkt in das Ausfallende eingeleitet werden. Dies setzt aber ein dafür geeignetes linkes Ausfallende und eine andere Achsplatte an der Nabe voraus. Wer seinen Rahmen selber baut kann natürlich das Ausfallende auch so gestalten, das die Achsplatte der Drehmomentstütze direkt mit dem Ausfallende verschraubt wird, wie in Berlin ( bei Joachim Murken ) gesehen. Zur Abstützung des Zuggegenlagers, die eigentlich auf dem linken Bremssockel erfolgen soll, dient die eine Schraube der Adapter der Magurabremse. Nur so ließ sich der notwendige Abstand zur Achse realisieren. Für die Zugführung empfiehlt sich bei kleinen Rädern die Verwendung der seit einiger Zeit auf den Webseiten von Rohloff angebotene Option einer externen Schaltzugführung, bei der die Schaltzüge direkt bis an die Nabe geführt werden. Die notwendige Abstützung auf dem Cantisockel bzw. einer Hinterbaustrebe entfällt dadurch. Diese EX-Version ist auch bei den älteren Speedhubs nachrüstbar. Leider warte ich seit Juni diesen Jahres auf die Lieferung dieser Ergänzung.
In einem Punkt hat das von mir gefahrene Exemplar allerdings die gestellten Erwartungen nicht erfüllt. In den vergangenen 16 Monaten musste ich die Nabe bisher zweimal an den Service wegen starken Ölverlustes einschicken. Es bildeten sich unter dem linken Ausfallende des abgestellten Rades über Nacht kleine Ölpfützen, so einige wenige Tropfen groß. Das erste Mal war das nach etwa 2600 km, das zweite Mal beim Tachostand von 6300 km der Fall. Beide Male wurden innerhalb weniger Tage die Dichtungen in der Nabe bei Rohloff als Garantieleistung ersetzt. Im Moment sieht es so aus, als ob der nächste Dichtungswechsel notwendig wird. Die Abwicklung ist zum Glück unproblematisch, da man das eingespeichte Laufrad direkt verschicken kann. Aus dieser Erfahrung heraus, dass doch mit einem gewissen Ölaustritt gerechnet werden muss, würde ich im Moment die Kombination mit einer Scheibenbremse nicht empfehlen, schon gar nicht in einem frontgetriebenen Rad, denn der Weg des Öls führt von der Dichtung genau auf oder über die Bremsscheibe. Mag sein, dass dieses Problem zukünftig keines mehr sein wird, aber es wird immer ein Kompromiss notwendig sein zwischen Dichtheit der Nabe und dem Reibungswiderstand der Dichtungen, der zu einem schwergängigen Leerlauf führt.
An dieser Stelle noch ein paar Bemerkungen zum inneren Aufbau und zur Funktionsweise der Schaltung, auch auf die Gefahr hin, hier nichts neues mitzuteilen. Sieht man sich die Schnittzeichnungen speedbild1 und speedbild2 sowie die von Rohloff angegebene Übersetzungstabelle genauer an, erkennt man zwei in Reihe schaltbare Getriebestufen. Die erste Getriebestufe besteht aus zwei Planetengetrieben mit gemeinsamen Planetenträger. Der Antrieb erfolgt immer vom Kettenritzel auf das Hohlrad des ersten Planetengetriebes. Der Abtrieb erfolgt vom Hohlrad des zweiten Planetengetriebes auf das Sonnenrad der zweiten Getriebestufe. Die Übersetzungsverhältnisse sind zum 11.Gang symmetrisch.
1.Gang = 1/7.Gang | 0.682 = 1/1.467 |
2.Gang = 1/6.Gang | 0.774 = 1/1.292 |
3.Gang = 1/5.Gang | 0.881 = 1/1.135 |
Geschaltet werden die 2 mal 2 Sonnenräder. Entweder sind sie mit der feststehenden Achse über Sperrklinken verbunden oder können sich frei drehen. Zusätzlich können die beiden äußeren Sonnenräder mit dem zugehörigen Hohlrad verbunden sein, so daß dieses Teilgetriebe überbrückt ist. Es ergeben sich somit sieben Schaltstufen mit unterschiedlichen Übersetzungsverhältnissen.
Gang | 1.große SR | 1.kleine SR | 2.kleine SR | 2.große SR |
1. | ACHSE | HOHLRAD | ||
2. | ACHSE | HOHLRAD | ||
3. | ACHSE | ACHSE | ||
4. | HOHLRAD | HOHLRAD | ||
5. | ACHSE | ACHSE | ||
6. | HOHLRAD | ACHSE | ||
7. | HOHLRAD | ACHSE |
Die Zuordnung zu den einzelnen Gängen muss so noch nicht stimmen, aber die Schaltfolge ist zum 4. Gang symmetrisch, wie aus der Übersetzungstabelle folgt. Die Bauteile beider Getriebehälften sind symmetrisch beziehungsweise identisch. Bei der 2. Getriebestufe handelt es sich um ein einstufiges Planetengetriebe. Angetrieben wird das Sonnenrad vom zweiten Hohlrad der ersten Getriebestufe. Der Abtrieb erfolgt über den Planetenträger auf das Nabengehäuse. Geschaltete wird das Hohlrad. Dabei gibt es zwei mögliche Stellungen. Zum einen kann es mit der feststehenden Achse verbunden werden, woraus eine Untersetzung von 1:0.409 resultiert. Dies ergibt die unteren sieben Gänge. Durch die Verbindung mit dem Sonnenrad wird die zweite Getriebestufe überbrückt, alle drei Teile drehen sich mit der gleichen Geschwindigkeit. Diese direkte Verbindung ergibt die Gänge 8 bis 14. Aus den Zeichnungen lässt sich die Schalt- und Rastmechanik, die die Freigabe der einzelnen Sperrklinken in den Sonnenräder sowie die Betätigung der einzelnen Kupplungen realisiert, nicht erkennen. Wer noch tiefer in das Innenleben der Schaltung vorstoßen möchte, dem sei das Studium der beiden Patente US06048287 und WO09852818A1 empfohlen, in denen das Funktionsprinzip ausführlich beschrieben ist.
Für den Nutzer der Rohloff-Nabe sind diese Einzelheiten nur von informativem Interesse, beschränkt sich doch die notwendige Wartung auf den jährlichen Ölwechsel, den jeder selber ohne spezielles Werkzeuge durchführen kann. Da der ganze Schalt- und Rastmechanismus im Inneren gut geschützt vor äußeren Einflüssen untergebracht ist, ist ein Nachjustieren nicht notwendig. Einfache Reparaturen, wie Ritzelwechsel oder Austausch des äußeren oder inneren Schaltseils können auch selber durchgeführt werden. Bei all diesen Arbeiten erfolgt keine Demontage des Getriebeblockes. Für darüber hinausgehende Reparaturen muss die Nabe an den Service der Firma Rohloff eingesandt werden, der, wie selbst erlebt, sehr zügig arbeitet. Neben dem, verglichen mit einer Kettenschaltung geringerem Wartungsaufwand ist auch die Lebensdauer der Kette und des Ritzel deutlich größer. Beim Ritzel ist das aufgrund der Zahnform, die ja nicht für leichten Gangwechsel ausgelegt sein muss, sofort verständlich. Zusätzlich kann das Ritzel gewendet werden. Der Kettenverschleiß ist nach 10000km noch nicht am Limit für einen Wechsel. Es wird sich zeigen müssen, ob auf diesem Weg zumindest ein Teil der Investition für die Nabe über niedrigere Betriebskosten kompensiert wird.
Trotz der zumindest an meinem Exemplar aufgetretenen Probleme mit den Dichtungen möchte ich auf den täglichen Genuss des Fahrens mit der Rohloff nicht mehr verzichten. Dazu habe ich mich auf den zurückgelegten Kilometern, vor allem in der Großstadt, zu sehr an die Möglichkeit gewöhnt, in jeder Situation problemlos in den richtigen Gang zu schalten. Wäre da nicht die Preisbarriere, würde ich auch meine anderen Räder mit der Rohloff ausstatten.
Vor einiger Zeit ist von Hersteller des Toxy das Ausfallende so verändert worden, dass die Verwendung der OEM-Achsplatte von Rohloff zur Einleitung der Drehmomente benutzt werden kann. Dies war auch auf der Spezialradmesse 2001 in Germersheim zu sehen.
Seit dem Kauf der Speedhub sind nun über 8 Jahre vergangen und die Nabe ist mehr als 51 Megameter gelaufen. Das Problem mit dem lästigen Ölverlusten ist von Rohloff offensichtlich beim letzten Mal auch gelöst worden. Ich hatte dabei zusätzlich den Antreiber auswechseln lassen und seit dem verliert die Nabe kein Öl mehr über die Hohlachse.
Im Oktober 2011, nach mehr als 75000 km wechselte die Rohloff in ein neues Liegerad, ein S600 der Firma Flux.
Inzwischen ist sie 15 Jahre alt, hat bisher 95000 km absolviert und funktioniert immer noch ohne Einschränkungen. Die Ölprobleme sind weitestgehend verschwunden.
Auch nach fast 25 Jahren und mehr als 153000 km tut die Rohloff immer noch ihren Dienst ohne Beanstandungen.
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