Wie gestern Abend abgesprochen, standen alle Zutaten zu unserem Frühstück bereit, der Espressoautomat war bestückt und eingeschaltet. Als wir um kurz vor acht aus der Tür des Wohnhauses auf die Straße traten, erwartete uns schon der Besitzer des benachbarten Ladens. Die Räder standen bereits vor der Türe und wurden von ihm bewacht. Wir brauchten nur noch das Gepäck aufladen und konnten starten. Die geplante Besichtigung der sehenswerten Altstadt von Alghero war ja nun gestern ausgefallen und so steuerten wir nun als erstes eines der alten Stadttore an. Aus der Straße dahinter wurde nach einigen Metern
eine Treppe, die mit unserem Tandem nicht passierbar war. Wir standen nun vor einer schwierigen Entscheidung. Entweder konnten wir das Rad hier anschließen und unseren Stadtrundgang zu Fuß fortsetzen, was sicherlich einige Zeit mehr in Anspruch nehmen wird, oder wir verzichten ganz auf die Besichtigung. Die auch heute zu erwartende Mittagshitze bewog uns zu letzterem.Vor uns lag nun einer der schönsten Abschnitte an der sardischen Westküste, der von fast jedem Reiseführer empfohlen wird. Auf über 45 Kilometern schlängelt sich die Straße in einem ständigem Wechsel von auf und ab immer an der zum Teil sehr steil ins Meer abfallenden Küste entlang. Die Landschaft ist fast menschenleer, nirgends eine Ortschaft. Auf der ganzen Strecke gab es aber auch keinen Platz, der für eine längere, schattige Pause geeignet schien. So waren wir gut beraten, als wir auf die Altstadt von Alghero verzichteten. Nur wenn sich ein ganz besonderer Ausblick bot, hielten wir kurz am Straßenrand in einer der wenigen Parkbuchten an. Zum Glück war heute fast kein Verkehr. Kurz hinter Alghero hatte uns eine kleine Gruppe Motorradfahrer überholt. Ganz anders mag es hier zum Saison Höhepunkt aussehen. Dann ist Radfahren auf der schmalen kurvenreichen Straße sicherlich kein Vergnügen.
Besonders auffällig sind die Felsformationen an den erodierten Berghängen. Von weitem erinnerten sie uns zuerst an riesige, verlassene Hütten, eingerahmt oder abgegrenzt von steilen Mauern. Erst
als wir näher heran kamen, war zu erkennen, das sie durch die Natur, durch Wind und Wasser geformt waren. Etwas gestört wird diese Bild der unberührten, wilden Natur durch die unzähligen Sicherungszäune, die vor Steinschlag schützen sollen. Stellenweise überziehen Stahlseile die Felsen wie ein Spinnennetz.In den abgelegenen und schwer zugängliche Küstenklippen am Capo Marargiu soll noch eine Kolonie Gänsegeier nisten. Von der Straße aus, die hoch über dem Kap an den Berghängen verläuft haben wir jedoch keinen der großen Vögel zu Gesicht bekommen, die hier über den Berghängen und Klippen ihre Kreise ziehen sollen. Vielleicht war es ihnen mittlerweile zu heiß geworden und sie hielten ihre Mittagsruhe. Wir sehnten uns ebenfalls nach einem schattigen Plätzchen und einem kühlen Mineralwasser. Wir hatten am Morgen vorgesorgt und ausreichend davon mitgenommen. Auch wenn es schon längst nicht mehr kalt war, war jeder Schluck eine wohltuende Erfrischung.
Die einzigen Tiere, die wir beobachten konnten, waren Haustiere, meist Ziegen, die abseits der Straße weideten, und dort wo die Berge nicht so steil zum Meer abfielen auch vereinzelt Rinder. Einfache Drahtzäune grenzten die wenigen extensiv genutzten Weideflächen ab, auch wenn nirgendwo eine Hütte oder gar ein Haus zu sehen war.
Da wir ohne längere Pause von Alghero durchgefahren sind, erreichten wir schon am frühen Nachmittag unser Hotel in Bosa Marina, dem ehemaligen Hafen und heutigen Badeort von Bosa. Unsere zeitige Ankunft ließ uns genau Zeit für einen Nachmittag am Strand. Auffällig ist die dunkle Farbe des Sandes, die durch den hohen Eisenoxidgehalt hervorgerufen wird. Die Anfänge als Badeort gehen auf die heilende Wirkung zurück, die man diesem Sand bei Rheumaerkrankungen zugeschrieben hat. Heute allerdings dominieren Badelustige und vorallem Windsurfer den Strandbetrieb. Zu unserem Hotel gehörte ein eigener Strandbereich, so dass wir sogar den Luxus zweier eigener Strandliegen nutzen konnten. Nach etwas über einer Stunde und einem ausgiebigen Bad in dem angenehm warmen Wasser hatten wir genug vom Strandleben und sind noch zu einem Bummel nach Bosa aufgebrochen.
Das kleine Städtchen liegt etwa 3km entfernt am Ufer des Flusses Temo. Dies ist der einzige schiffbare Fluss Sardiniens. Als wollten sie uns genau dies demonstrieren, trainierte eine Gruppe Ruderer mit ihren schlanken Booten auf seinem Wasser. Unser Weg führte uns immer am Ufer des Temo entlang.
Obwohl Bosa eine kleine Stadt ist, besteht sie aus zwei ganz unterschiedlichen Stadtteilen. In der Ebene direkt am Ufer liegt die ehemalige Freistadt Sa Piatta. Sie wird von großen Bürgerhäusern und einem ausgedehnten Platz in ihrem Zentrum bestimmt. Als wir dort ankamen, herrschte reges Treiben. Kinder tobten zwischen den großen Palmen, überall auf den Bänken saßen die Bewohner der umliegenden Häuser. Wir schlenderten durch die verglichen mit den Seitengassen breiten Straßen, in denen die Geschäfte eins nach dem anderen schlossen. Die Erkundung der engen Gassen, die sich am Berghang zur Burg hinziehen, vertagten wir auf morgen und schlenderten zu unserem Hotel zurück.
Peter Schaefer 2010-10-21