Obwohl uns gestern Abend die anderen Gäste aus Deutschland vom Besuch der Neptungrotte abgeraten hatten, sind wir bei unserem Reiseplan geblieben. Die vielen Stufen, die vom 170m hohen Kap zum Eingang der Höhle hinunterführen, konnten uns nicht abschrecken. So sind wir auf ruhigen Nebenstraßen durch kleine Ortschaften zu unserem ersten
Ziel gefahren. Die dichte Vegetation direkt am Straßenrand bot lange Schutz vor der langsam höhersteigenden Sonne. Wie schon gestern Nachmittag waren wir erstaunt, wie eben dieser Teil von Sardinien ist. Nur wenige kleine Hügel erheben sich hier und um diese machen die Straßen alle einen Bogen. Erst bei der Anfahrt auf das Capo Caccia war wieder zu merken, dass Sardinien auch eine Insel der Berge ist. In einem ständigem Wechsel von auf und ab führt die Straße bis auf das Plateau von dem die Felswände fast senkrecht ins Meer stürzen.Kurz vor dem höchsten Punkt ist der Felsrücken, der das Kap mit dem Festland verbindet so schmal, dass sich nach beiden Seiten ein weiter Ausblick bietet. Richtung Osten blickt man über Porto Conte auf die Bergkette des Nationalparks Porto Conte deren höchste Erhebung sich fast 500m über das Meer erhebt. Die Aussicht, die sich auf
Alghero und die Küste Richtung Bosa bietet ist überwältigend. Richtung Westen kann man direkt in die kleine Cale de Inferno schauen. Bei dem fast windstillen Wetter, das in den letzten Tagen vorherrschte, konnten die von Westen anrollenden Wellen aber nur ein sehr bescheidenes Inferno inszenieren. Kraftlos schwappten sie in die unzähligen Felsspalten und schafften es nicht die kleinen Felsnadeln zu überrollen, die aus dem Wasser ragen. Trotzdem lohnte sich der kleine Bogen bis zu dieser Stelle und das Hochsteigen zwischen den Steinbrocken.Auf dem kleinen Parkplatz am Ende der Straße fanden wir noch eine ausreichende Lücke um unser Tandem zwischen den geparkten Motorrädern sicher abzustellen. Von hier aus führt die auch ,,Rehleiter``, die ,,Escala de Cabriol`` zum Eingang der Höhle, der nur etwa einen Meter über dem Meeresspiegel liegt. Die insgesamt 652 Stufen, wir haben nicht nachgezählt sondern diese Zahl in blindem Vertrauen dem Reiseführer entnommen, wurden kurz nach der Entdeckung der Grotte im Jahr 1954 in den Felsen gemeiselt. Für alle diejenigen, denen der Ab- und der Wiederaufstieg zu mühsam ist, verkehren auch Boote von Alghero und Porto Conte zum Höhleneingang.
Von dem weitverzweigten, etwa 4 km langen Höhlensystem sind nur etwa fünfhundert Meter für die Öffentlichkeit zugänglich. Immer zur vollen Stunde startet am Eingang eine Führung. Wobei Führung nicht ganz der richtige Ausdruck ist, werden doch die Erklärungen über fest installierte Lautsprecher abwechselnd auf italienisch und englisch gegeben. Der Weg führt entlang eines kleinen Salzwassersees an interessanten Tropfsteingebilde und Kalksinterablagerungen vorbei. Je nach Standort und Lichtverhältnissen meint man etwas anderes in den Gebilden zu erkennen. Es ist schon sehr beeindruckend, was die Natur in Jahrmillionen geschaffen hat.
In der Grotte ist das Fotografieren streng verboten. Erst waren wir davon ausgegangen, das dieses Verbot vorallem zur Förderung des Absatzes von Postkarten mit den Motiven aus der Höhle aber auch zu deren Schutz vor zu intensivem Licht dient. Also hielten wir uns bei dem Rundgang auch sehr zurück mit dem Versuch wenigstens ein gelungenes Foto zu schießen und hofften auf ein ansprechendes Postkartenmotiv. Aber weit gefehlt, denn Postkarten mit Motiven aus
der Höhle waren an dem Kiosk oben am Parkplatz eher rar. Das Fotografieren unter den Lichtverhältnissen ist recht schwierig. Man braucht dafür einen festen Stand für die Kamera, am besten ein Stativ. Und damit hält jeder Versuch, ein Foto zu machen, die ganze Gruppe lange auf. Und die Zeit ist auf etwa 45 Minuten begrenzt. Wohl deswegen ist es nicht gestattet eigene Bilder zu machen.Auch sonst war das Angebot für geschaffte Touristen eher bescheiden. Eine richtige Terrasse hatte der Kiosk nicht. Auf den wenigen Plätzen im Schatten vor dem Eingang herrschte dichtes Gedränge. Die Preise für Mineralwasser und ähnliches waren mehr als unverschämt. Dennoch verweilten wir hier nach dem Aufstieg noch einen kleinen Moment, genau solange wie für eine Stärkung mit den mitgebrachten Bananen notwendig war.
An der Nuraghenfestung Palmavera hielten wir noch einmal an. Sie liegt direkt an der Uferstraße nach Alghero. Aber nicht nur ihre Lage fast unmittelbar an der Küste ist ungewöhnlich. Sie fällt auch durch die sorgfältige Bearbeitung der weißen Steine, die hier aus der Gegend stammen, auf. Die Anlage besaß einen zweitürmigen Zentralbau der einst von einer starke Ringmauer umgeben war. Der Zugang zu ihrem Inneren verlief durch eine große Rundhütte. In ihr wurden wurden wohl Beratungen oder religiöse Zeremonien abgehalten. Der Thron aus Sandstein und die umlaufende Steinbank, auf der gut vierzig Personen
Platz finden, sprechen dafür. Außerhalb der Festungsmauer finden sich die Fundamente von etlichen kleineren Hütten, die alle ähnlich gebaut waren wie der große Versammlungsraum. Eine runde Außenmauer wurde von einem Dach überspannt, das von Baumstämmen gebildet wird wie ein Indianerzelt. Zumindest hatte uns Constantin in Tortubella so die Bauweise der alten Nuragher an seinem Haus erklärt, das ähnlich gebaut ist. Als wir am Ende eines sehr schönen und erlebnisreichen Tages vor unserem vor vier Monaten vorgebuchten Hotel standen waren alle Türen verschlossen. Nur ein Hinweis, man möge die angegebene Telefonnummer anrufen, fand sich an der Tür. Noch während wir die Nummer ins Handy tippten, ging plötzlich die Tür auf und ein englisch sprechendes Ehepaar schleppte sein Gepäck auf die Straße zu einem bereitsehenden Auto. Sie wurden von einem jungen Italiener begleitet, der sie offensichtlich zum Flughafen bringen sollte. Auf unsere Frage nach der Rezeption, und dem Hinweis, dass wir eine Reservierung für dieses Hotel haben, reagierte er sichtlich irritiert. Alle Zimmer seien belegt. Da wir schon im Treppenhaus standen, blieb ihm nichts anderes übrig, als mit seinen Chef zu telefonieren, denn wir machten keine Anstalten, dass Haus zu verlassen. Nach dem zweiten Telefonat erklärte er uns dann, wir sollten zu einem anderen Bed&Breakfast-Hotel fahren. Erst nach ausdrücklicher Bitte schrieb er uns die Adresse und den Namen auf einen kleinen Stadtplan von Alghero, markierte dort die Lage des Hauses, an das wir verwiesen wurden. Damit schien für das Hotelpersonal alles geklärt und es fühlte sich von jeder weiteren Verpflichtung aus der Reservierung entbunden.Die angegebene Adresse war relativ schnell gefunden. Ein Wohnhaus in einer Seitenstraße fast im Zentrum von Alghero, an der Haustür viele Klingeln mit Namen. Der Name, der auf unserer Karte stand, war nicht darunter. Eine Nachfrage in dem Spezialgeschäft für Hochseeangeln im Nachbarhaus ergab aber, dass wir an der richtigen Adresse waren. Dort kannte man den Betreiber des B&B und war sogar so nett, ihn anzurufen und über unser Erscheinen zu informieren. In zehn Minuten sollte jemand kommen und uns in Empfang nehmen. Es dauerte fast eine halbe
Stunde, dann erschien eine junge Frau, sehr in Eile, um uns aufzuschließen. Dabei tauchte das nächste Problem auf. Es war nicht erlaubt, die Räder mit ins Haus zu nehmen, weder ins Treppenhaus, noch mit in die 3.Etage, wo eine Wohnung zu einem B&B umfunktioniert war, drei Gästezimmer und ein Frühstücksraum. Wir sollten die Räder auf der Straße stehen lassen. Ein Rückruf beim eigentlich gebuchten Hotel ergab nur den lakonischen Kommentar ,,Stellt doch eure Räder vor der Polizeiwache ab, das ist der sicherste Ort in der ganzen Stadt``. Jetzt war guter Rat teuer. Auf gut Glück ein anderes Hotel suchen, schien uns in Anbetracht des ausgesprochen guten Wetters und des beginnenden Wochenendes sehr riskant. Ob die Touristinformation jetzt noch offen hat, wussten wir auch nicht. Unsere letzte Hoffnung war der Ladenbetreiber, der die ganzen Debatten mitverfolgt hatte. Wir konnten ihn schließlich überreden, dass wir die Räder heute Abend bei Ladenschluss um acht Uhr im Geschäft abstellen können und sie morgen früh kurz vor Ladenöffnung um acht wieder abholen. Damit waren dann endlich alle Probleme aus dem Wege geräumt. Inzwischen war es schon nach sieben. Mit der Wirtin einigten wir uns noch darauf, dass wir uns unser Frühstück am nächsten Morgen aus den bereitstehenden Zutaten selber bereiten werden.Kurz nach acht, die Räder waren sicher weggeschlossen, sind wir dann zur Pizzeria Aragon aufgebrochen. Den Tipp hatten wir in dem Spezialgeschäft für Hochseeangeln, das uns nun als Fahrradgarage diente, erhalten. Hier am Rande der alten Stadtmauer von Alghero konnten wir dann in Ruhe bei einem Gläschen Rotwein den Tag noch einmal Revue passieren lassen.
Peter Schaefer 2010-10-21