Am Ortsausgang von Siapiccia bewahrte uns ein netter Sarde vor einem beschwerlichen Umweg. Er machte uns darauf aufmerksam, dass die Straße, die wir benutzen wollten, in einem sehr schlechten Zustand sei und wir viel besser auf der ganz neu gebauten Straße, die noch auf keiner Karte verzeichnet ist, fahren würden. Eine gute halbe Stunde vorher hatten wir genau an dieser Stelle schon einmal darüber nachgedacht, wie wir hier weiterfahren sollten. Wir entschieden uns für die alte Strecke, die wir bei der Planung ausgesucht hatten und auf die uns daher auch unser GPS wies. Nach noch nicht einmal einhundert Meter zwang uns ein sehr schnell aufkommendes Gewitter mit dem dazugehörigen Wolkenbruch zur Umkehr, um im Ort Schutz zu suchen. Unter dem Vordach eines Hauses warteten wir das Schlimmste ab. Dennoch waren wir triefend nass. Aber eine gute Seite konnten wir diesem Ungemach abgewinnen, hatte es uns doch vor einem vielleicht viel unangenehmeren Übel bewahrt. Aber dies wurde uns erst auf dem weiteren Weg richtig bewusst. Die alte Straße, auf der wir fahren wollten, gab es faktisch nicht mehr. Ihre Reste waren manchmal noch zu sehen. Dort, wo die neue Trasse die alte Streckenführung kreuzte, tauchten oberhalb der Böschungen verrostete Leitplanken auf. Ein ebenfalls ganz neu gebauter Tunnel führte uns schließlich in das Nachbartal, das von einer genauso neuen Brücke überspannt wurde. Von hier rollten wir die letzten Kilometer fast bis in die Straßen von Fordongianus.
Schon kurz vor zwei Uhr hatten wir unser Hotel erreicht. Wie der Name des Hotels - Sardegna Grand Hotel Terme - versprach, gehört auch ein kleines Thermalbecken zur Einrichtung. Das Bad in dem 36 Grad warmen Wasser dauerte leider nicht sehr lange. Schon nach kurzer Zeit hatte uns der Bademeister entdeckt und aus dem Wasser gerufen. Hier herrschte strenge Badekappenpflicht. Uns war schon aufgefallen, dass alle anderen eine solche trugen. Badekappen gehörten nicht zu unserer Reiseausrüstung. Da uns die Preise der an der Rezeption verkauften dünnen Klarsichthauben unangemessen hoch erschienen, beendeten wir den Badespaß und starteten zu einer Besichtigung des alten römischen Thermalbades direkt am Ufer des Flusses Tirso. Unser Weg führte uns an dem ebenfalls ganz neu erbauten, sehr wuchtig wirkenden Gebäude des neuen Thermalbades vorbei . Zwischen diesem und dem Hotel gibt es einen überdachter Gang. Heute, am Sonntag, war alles geschlossen. Auf einem schmalen Pfad durch den Hotelgarten gelangten wir auf den verwaisten Parkplatz und von dort schließlich zu der Brücke, die uns in das Städtchen Fordongianus auf der anderen Seite des Flusses brachte.
Direkt am Ufer des Flusses liegen die Ruinen des römischen Stützpunktes Fordongianus. Zu antiken Zeiten war dieser eine bedeutende Siedlung. Im ersten Jahrhundert wurde neben der Thermalquelle ein noch heute beeindruckendes Bad errichtet, das in den darauffolgenden Jahren mehrmals vergrößert wurde. Der ausgewiesene Rundgang führte uns durch die einzelnen Abteilungen des Bades, durch Frigidarium, Tepidarium und Calidarium, aber auch durch die Reste der umliegenden Gebäude. Mehrere Brunnen und Zisternen wurden durch ein Netz von Wasserrohren gespeist.
Der größte Teil des immer noch munter aus der Thermalquelle sprudelnden, 54 Grad Celsius heißen Wassers wird über eine Rohrleitung in die vor wenigen Jahren neue erbaute große Therme am anderen Ufer geleitet. Ein kleiner Teil speist das etwas weiter flussabwärts direkt am Ufer liegende, ältere Thermalbad.
Die Eintrittskarten für die Besichtigung der Römersiedlung sind für alle Museen des Ortes gültig. Wir hatten diese touristenfreundliche Regelung schon in Arzachena und auf der Halbinsel Sinis kennengelernt. Hier konnten wir einmal davon Gebrauch machen und besuchten außerdem noch einen spanischen Adelspalast aus dem 16. Jahrhundert, den ,,Casa Aragnose``. Dieser ist wie die meisten historischen Gebäude des Ortes aus rotem Trachyt erbaut. Das Gebäude wird heute als Kulturzentrum und Bücherei genutzt aber man kann es dennoch besichtigen. In den Räumen erhält man einen Eindruck,
wie ein spanischer Grande in damaliger Zeit gelebt hat. An vielen Details, so an den Bogenfenstern, kann man den katalanischen Einfluss erkennen. Auch die Lage, direkt am Platz gegenüber der Kirche San Pietro, zeugt von der gesellschaftlichen Bedeutung der ehemaligen Bewohner.Peter Schaefer 2010-10-21