Auch an unserem letzten Tag hat sich das Wetter wieder von seiner besten Seite gezeigt. Nur der Wind war recht frisch und kam, wie in den letzten Tagen auch, aus nördlichen Richtungen und damit meist von vorne. Auch die Insel bot uns eine ihrer schönen Seiten, obwohl wir fast ausschließlich entlang einer vom Tourismus geprägten Küste unterwegs waren. In den Ferienorten herrschte noch ein Rest des Sommertrubels. Auf dem Marktplatz in San Teodoro saß unter einem Sonnenschirm ein Straßenmaler, der in erstaunlicher Schnelligkeit Schwarz-Weiß-Bilder mit typischen Motiven von Sardinien auf das weiße Papier zauberte. Die Farbe erinnerte auch von der
Konsistenz etwas an Teer. Als Werkzeuge dienten ihm nur ein spitzer Spachtel und ein grober Pinsel. Links und rechts von seinem Arbeitstisch standen auch größere Blätter zum anschauen und kaufen. Einige von ihnen waren zusätzlich koloriert. Wir schauten seinem Wirken eine ganze Weile fasziniert zu. Nach langem Überlegen, wie wir ein solches kleines Kunstwerk sicher und unbeschadet nach Hause transportieren können, entschieden wir uns für eine kleine postkartengroße Ansicht der Küste. Gut in Zeitungspapier eingeschlagen schoben wir das Blatt in die Mappe mit den Etappenkarten.Bei Porto San Paolo bogen wir von der Küstenstraße zum Ufer ab. Hier bot sich vom Strand ein ungehinderter Blick auf die Isola Tavolara, deren Felsen über 550 Meter aus dem Meer aufragen. Schon lange vorher, schon am Hafen von San Teodoro, war uns der hoch aufragende Felsrücken aufgefallen, der an den Rücken eines aus dem Meer auftauchenden Seeungeheuers erinnert, und der danach immer wieder vor uns auftauchte. Nicht umsonst ist diese markante Insel eines der Wahrzeichen Sardiniens.
Wir ereichten das Stadtzentrum von Olbia schon am frühen Nachmittag. Nach 22 Tagen und etwas mehr als 900km sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Damit hat sich der Kreis geschlossen. Die meisten Restaurants und Pizzerien hatten noch geöffnet. Wir wollten uns aber erst noch die Stadt in aller Ruhe ansehen, bevor wir ein letztes Mal die sardische Küche im Original genießen. Das sollte sich als kapitale Fehlentscheidung herausstellen. Nachdem wir fast jede der schmalen alten Gassen und Gässchen, die ein verwirrendes Netz bilden, angesehen hatten, mussten wir feststellen, dass jetzt, gegen fünf Uhr am Nachmittag, alle ihre Schirme zugeklappt und die Stühle hochgestellt hatten. Nur noch wenige Straßencafes hatten geöffnet und dort saßen tatsächlich auch einige Gäste. Aber selbst der Schnellimbiss hatte seine Küche geschlossen. Es gab nur noch einfaches Weißbrot mit Schinken und Käse. Eigentlich hätten wir es wissen müssen, dass es so kommt, und uns sofort unter einen der Sonnenschirme setzen sollen, dann hätte es vielleicht noch geklappt mit dem Abschiedsessen. Bis die Restaurants wieder öffnen, so zwischen sieben und acht Uhr am Abend können wir nicht warten, denn um halb neuen ist Eincheckschluß für die Fähre. Also blieb uns nichts anderes übrig, als mit einem pappigen, mit billigem Käse und Schinken belegten Weißbrot Vorlieb zu nehmen.
Während unserer Stadtrundfahrt tauchten in der Fußgängerzone plötzlich an die fünfzig oder mehr gleiche Fahrräder auf. Sauber eins an das andere gelehnt waren sie an der Hauswand geparkt. Auf jedem Rahmen stand ,,Aida``. Daneben unterhielten sich einige Leute, die alle den gleichen Fahrradhelm trugen. Sie standen vor einer unscheinbaren Eisdiele. Wie sich dann im Gespräch mit einem der Gleichbehelmten herausstellte, soll es hier das beste Eis in ganz Olbia geben. Deswegen hatten sie hier angehalten. Sie waren auf einer Fahrradexcursion. Das heißt eigentlich waren sie auf einer Mittelmeerkreuzfahrt mit einem der Schiffe der Aida-Flotte. Und heute stand eine 50km lange Fahrradtour auf dem Programm. Die ist allerdings nicht inklusive sondern muss mit einem Euro pro Kilometer extra bezahlt werden. Das sind fast Taxipreise. Die 50km wurden allerdings von den Teilnehmern, mit denen wir uns unterhielten, angezweifelt. Der Händler auf der anderen Straßenseite, der sardische Spezialitäten anbietet, scheint von dem Eisdielenbesuch schon vorher gewusst zu haben. Vor seiner Tür standen große Werbeschilder mit Sonderangeboten für Kreuzfahrtpassagiere.
Seit etwa einer halben Stunde warten wir am Fähranleger auf das Einchecken. Eine Banane aus den Vorräten hilft gegen den langsam aufkommenden Hunger. Die ganze Zeit tat sich nicht sehr viel. Es sind nur noch wenige rückreisende Urlauber unterwegs. Die Fähre wird wohl nicht voll werden. Aber dann ging es ganz plötzlich los, es war gerade halb acht geworden. Wir wurden als erste auf die Fähre gewunken. In einer Ecke fast ganz am Heck, direkt bei der Auffahrrampe wurde unser Rad vom Personal der Fährgesellschaft unter unserer Aufsicht festgezurrt, als wäre es ein schweres Motorrad. Danach konnten wir auf das Passagierdeck und unsere Kabine beziehen.
In einer Lounge der Moby Tommy nehmen wir mit einer Flasche sardischen Rotweins Abschied von einer Insel, die uns sehr gut gefallen hat und deren Bewohner immer freundlich und aufgeschlossen waren. Als eine Art Ersatz für das ausgefallene sardische Abschiedsmahl hat Edda am Fährterminal ein kleines sardischen Kochbuch erstanden. Nun schmökert sie darin. Mal sehen, mit welchem der Gerichte sich die sardische Küche am heimischen Herd nachempfinden lässt. Nicht für alle dürften die notwendigen Zutaten erhältlich sein, so lautet ihr erstes Resümee
Peter Schaefer 2010-10-21