Die Fahrt letzte Nacht mit dem City-Night-Line von Berlin nach Zürich verlief vollkommen unproblematisch, obwohl sich sowohl der Abfahrtsbahnhof als auch die Abfahrtszeit seit dem Kauf der Fahrkarten vor fast vier Monaten geändert hatte und am Berliner Hauptbahnhof nur wenig Zeit zum Einsteigen vorgesehen war. In dem großen Fahrradabteil mit extra breiter Tür und über zwanzig Stellplätzen gab es ausreichend Platz - ganz im Gegensatz zu unserer winzigen Schlafwagenkabine. Der Begriff ,,Economy`` traf für diese voll und ganz zu. Jeweils zwei dieser Kabinen sind nach dem Prinzip der Doppelstockwagen übereinander angeordnet und über kleine Treppen nach oben oder unten zu erreichen. Jeweils vier Kabinen bilden so eine Einheit. Die Einrichtung besteht aus einem Doppelstockbett, einem Minischrank für
die Ablage der Tagesbekleidung und einem Miniwaschtisch. In dem verbleibenden Raum kann nur einer noch stehen. Nur für eine Nacht ist das ausreichend und schlafen konnten wir auch ganz passabel. Heute früh zum Frühstück unterzog der Schaffner unser Abteil einer bemerkenswerten Metamorphose. Mit wenigen geübten Handgriffen, die unsern Augen aber verborgen blieben, verschwanden die Betten und an deren Stelle stand eine recht bequeme Sitzbank für zwei Personen.Unser Wunsch nach einem ausgiebigen Frühstück war gestern Abend schon mit einem bedauerndem Lächeln quittiert worden. Dennoch war das Frühstücksangebot reichhaltiger als vor zwei Jahren auf der Fahrt nach Florenz. Zudem konnten wir es noch mit einem mitgebrachten Frühstücksei aufbessern.
In Zürich standen uns knapp zwei Stunden zum Umsteigen zur Verfügung. Zeit genug, auch die nähere Umgebung des Hauptbahnhofes zu erkunden. Für eine richtige Stadtbesichtigung und einen Besuch des Züricher Sees werden wir auf der Heimreise einen Tag Zeit haben. Rund um den Bahnhof wird viel gebaut, so dass von dem altehrwürdigen Gebäude im Moment nicht viel zu sehen ist. Aber auch innen zeugt noch vieles von seinem alten Glanz. Früher sind die Züge bis in die alte Halle gefahren. Neben mehreren Restaurants und den bahnhofstypischen Geschäften hat auch die Touristeninformation hier in einem der Nebenräume ihr Domizil gefunden.
Besonders der letzte Abschnitt der Zugfahrt von Zürich nach Livorno, ab Genua ist ausgesprochen abwechslungsreich. Zwischen den unzähligen, mal kürzeren, mal längeren Tunneln bieten sich immer wieder Blick auf das Mittelmeer und seine schroffe Küste, auf kleine Badeorte und nicht viel größere Städte. Manchmal passt der Bahnhof gerade noch zwischen die beiden Tunneleingänge. In einigen dieser Orte liegen auf der einen Seite die Urlaubshotels. Schaut auf der anderen Seite aus dem Fenster, blickt man auf die dazugehörigen Strandbars.
Fast pünktlich, kurz nach halb neun, erreichten wir unser heutiges Tagesziel Livorno. Unser Hotel liegt nur wenige hundert Meter vom Bahnhof entfernt neben dem großen Sportpalast. Für unsere Fahrräder fand sich keine geeignete Unterstellmöglichkeit. Die Dame vom Empfang meinte, wir sollten sie einfach direkt vor dem Hotel abstellen, dort seien sie am besten aufgehoben. Mit etwas ungutem Gefühl parkten wir unsere zwei Kettwiesel Rücken an Rücken neben dem Hoteleingang, zogen die Überzieher über die Sitze, schlossen sie den Hinterrädern mit zwei Schlössern zusammen und überließen sie dort ihrem Schicksal.
Peter Schaefer 2010-10-21