Seit fast zwei Stunden ist die Fähre nun schon unterwegs. Im Moment sind wir etwa auf der Höhe der korsischen Nordküste, deren Erhebungen am Horizont zu erahnen sind. Wie bei allen anderen Fährgesellschaften, mit denen wir bisher gereist sind, durften Motorräder und Radfahrer zuerst an Bord. So hatten wir nach dem Verzurren unseres Rades keine Schwierigkeiten, einen geeigneten, bequemen Platz am Rande der Showarena zu ergattern. Ein längeres Programm ist während der Tagesüberfahrt anscheinend nicht geplant und so ist es hier erträglich ruhig, auch wenn jetzt alle Plätze rundum besetzt sind. Die meisten Kabinen sind nicht gebucht. Dieser Luxus wäre am Tag auch raus geworfenes Geld. Fast alle
Passagiere haben sich einen ihnen genehmen Platz an Bord gesucht, etliche davon mit eigenem Equipment. So stehen mitgebrachte Campingstühle auf dem Sonnendeck. Andere lagern auf Isomatten oder Decken, entweder draußen oder in den Ecken der Flure, wo sie niemanden stören. Einige schlafen auch unter den Treppen. Und zwischendrin spielen unzählige Kinder oder starren auf einen der vielen Fernseher, die überall an den Wänden montiert sind.Gegen halb sieben tauchte dann endlich die Küste Sardiniens vor uns auf. Etwas verunsichert schauten wir auf die steil aus dem Wasser ragenden Ufer, die erahnen ließen, wie bergig diese Insel ist. Und hier wollten wir in den nächsten drei Wochen Fahrrad fahren. Langsam schob sich die Fähre in den Golf von Olbia. Bis zum Anlegen dauert es noch eine weitere halbe Stunde.
Nach der Ankunft in Olbia herrschte ein riesiges Verkehrschaos rund um das Fährterminal, das sich auf einer künstlich angelegten Halbinsel weit in die Bucht schiebt. Mehrere große Fähren hatten fast gleichzeitig festgemacht und entluden nun eine nicht endende Autolawine in Richtung
Stadtzentrum. Die meisten wollten gleich weiter zur Autobahn. Es dauerte den ganzen Abend, bis sich der Stau aufgelöst hatte. Wir entflohen dem Chaos auf dem kürzesten Weg in die Gassen der Altstadt und steuerten direkt unser kleines Hotel an.Nach dem wir unsere Fahrräder in dem kleinen Garten des Hotels sicher verstaut und uns in unserem Zimmer häuslich eingerichtet hatten, brachen wir zu einem Bummel durch die Fußgängerzone von Olbia auf. In einer Seitenstraße fanden wir eine kleine Pizzeria. Noch hatte Sie geschlossen, aber die Tische standen schon bereit. Hier ließen wir den ersten Tag auf Sardinien mit einem kräftigen Abendbrot ausklingen.
In Olbia findet zur Zeit das Jazzfestival für lateinamerikanisch-afrikanische (latino-africo) Musik statt. Die Klänge dieser Musik drangen die ganze Nacht aus den verschiedenen Clubs, ohne so laut zu sein, dass sie uns störten. Die Via Cavour ist eigentlich eine kleine schmale Gasse, von der man vermuten könnte, dass sie auch sehr ruhig ist. Am Tage bei unserer Ankunft hatten wir auch diesen Eindruck gewonnen. Aber in der Nacht riss der Strom der Motorroller nicht ab. Gerade sie erzeugen einen sehr unangenehmen Lärm, der die ferne Musik und das monotone Gebrumm der Klimaanlagen, die überall außen an den Hauswänden montiert sind, weit übertönt. Ein ungestörter Schlaf war so nur bei fest geschlossenen Fenstern möglich.
Peter Schaefer 2010-10-21