Mo. 8.9. Bosa Marina - Bonarcardo

52,9km, 1090Hm
Ganz langsam haben wir uns von Bosa Marina bis auf fast 900 Meter Höhe hochgekurbelt. Für den ersten Abschnitt bis Tresnuraghes haben wir nur 25 Minuten länger gebraucht, als gestern mit dem Zug. Wir waren schon um halb neun startklar und mussten auch keine Einkäufe mehr erledigen. So konnten wir diesen ersten Abschnitt in der morgendlichen Kühle bewältigen. Die Sonne stand noch nicht so hoch am Himmel und die Schatten der Sträucher und Bäume reichten oft bis auf die Straße, auf der uns nur selten mal ein Auto begegnete.
Bild 1.49: Blick von der Straße oberhalb Modolo aufs Mittelmeer
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Deutlich mehr Autoverkehr war nur auf dem Abschnitt zwischen Tresnuraghes und Cagliari, da wir hier die Hauptstraße benutzen mussten, die von Bosa direkt nach Oristano führt. Die ersten Kilometern kamen uns fast flach vor. Wir fuhren durch eine leicht wellige Landschaft, in die nur hier und da ein Bach eine kleine Schlucht geschnitten hatte. Die Vegetation wird von Büschen und trockenem Gras bestimmt. An mehreren Stellen reichten die Spuren von Buschbränden bis an den Straßenrand. Noch bevor sie zu sehen waren, machten sie sich durch den typischen Brandgeruch bemerkbar. Es schien, als hätten die meisten dieser Brände ihren Anfang an dieser Stelle an der Straße genommen. Bei der hier weitverbreiteten Unart, allen Müll während der Fahrt aus dem Autofenster zu entsorgen, ist das kein Wunder. Nach nur wenigen Tagen auf Sardinien konnten wir schon nach wenigen Metern, die wir auf einer Straße unterwegs waren, am Straßenrand abschätzen, wie stark der Autoverkehr sein wird, der uns hier erwartet - je weniger Müll, desto weniger Verkehr. Diese Unsitte war uns vor zwei Jahren bei unserer Tour durch die Toskana nicht so extrem aufgefallen.

Bild 1.50: Wandmalereien in Sennariolo
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In Sennariolo, einem kleinen Ort an der Straße, fand sich ein geeignetes schattiges Plätzchen für die erste Picknickpause, am Rande des Dorfplatzes, direkt vor der Kirche. An den Wänden der umstehenden Häuser und auf den Mauern, die die Grundstücke von der Straße trennten, sahen wir Graffiti der ganz anderen Art, Bilder und Straßenszenen, wie sie typisch für Sardinien waren und in einigen Orten heute noch sind. Szenen aus dem Alltag in den abgeschiedenen Dörfern, stickende Frauen, die vor den Türen ihrer Häuser sitzen.

Von nun an ging es für die nächsten 10km nur noch bergauf, mehr als fünfhundert weitere Höhenmeter lagen noch vor uns . Kurz vor Cuglieri überholte uns eine kleine Gruppe auf Rennrädern. Wir trafen sie im Ort wieder. Sie hatten sich eine Straßenbank für ihre Pause ausgesucht. Auch wir fanden hier einen geeigneten schattigen Platz um eine weitere Banane nachzulegen. Für eine richtige Mittagspause, wie sie inzwischen üblich geworden war, schien uns die Zeit noch zu früh und die noch zu fahrende Strecke zu lang. Dank der Höhe, Cuglieri liegt auf 480m, ist die Mittagshitze bei weitem nicht so unerträglich wie an der Küste. Auch das senkte das Bedürfnis nach einer ausgedehnten Siesta.

Bild 1.51: In den Straßen von Cuglieri
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Vom Castello di Monte Ferru haben nur Ruinen die Jahrhunderte überdauert. Die Reste der Mauern und Türme, die am Anfang des achten Jahrhunderts erbaut wurden und die von der Straße aus gut zu sehen sind, wirken immer noch beeindruckend. Wir hatten das Kastell schon eine Weile hinter uns gelassen, da überholte uns der erste der vier Rennradler zum zweiten Mal. Für einen kurzen Plausch drosselte er sein Tempo, unser Gefährt schien ihn zu interessieren. Die vier waren auf einer Rundreise durch Sardinien unterwegs, mit Tagesetappen von 130km. Es dauert auch nicht lange, da überholten uns auch die anderen drei der Gruppe. Mit den leichten Rennrädern und dem wenigen Gepäck kein Wunder. Wir kurbelten unbeirrt in unserem eigenen Tempo weiter bergauf.

Endlich hatten wir den höchsten Punkt der Straße zwischen Cuglieri und Santu Lussurgiu den Pass Punta Arancola erreicht. Er liegt 876 Meter über dem Meeresspiegel. Neben der Straße stand auf einem kleinen Felsen eine winzige Kapelle, die sogar auf unserer Karte verzeichnet ist. Von hier hat man einen beeindruckenden Blick auf den Monte Urtigu, der mit 1050 Metern höchsten Erhebung der Monte Ferru. Schon einen Kilometer vorher hatten wir gedacht, wir hätten es geschafft, aber die Stelle erwies sich nur als eine Art großer Rastplatz am Berghang seitlich der Straße. Auf mehreren mit aufgeschichteten Steinplatten abgegrenzten Terrassen standen Bänke zwischen den Bäumen. Ob es mit diesem Ort etwas besonderes auf sich hat, konnten wir aber nicht herausfinden. Weder auf der Karte noch in einem der Reiseführer fand sich ein Hinweis.

Bild 1.52: Blick auf die Erhebungen des Monte Ferru
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Aber er schien ein attraktives Ziel zu sein. Es standen hier mehrere Autos am Straßenrand, und kurz vor uns kam ein weiteres an. Mag sein, das man von hier aus sehr gut zu Wanderungen in das Gebiet des größten erloschenen Vulkans auf Sardinien starten kann. Ein attraktiver Picknickplatz ist er auf alle Fälle.

Bis zum Pass ging es noch knapp einen Kilometer weiter bergauf. Interessanterweise war, kurz bevor es wieder bergab ging, die Straße mit einer dicken Linie aus weißen Quadraten markiert. Von nun an rollte es die meiste Zeit fast von alleine.

Obwohl uns der Tag schon merklich in den Beinen steckte, haben wir nicht auf einen Besuch des kleinen Ortes San Leonardo de Siete Fuentes und seiner berühmten Quellen verzichtet. Nimmt man die Übersetzung des Ortsnamens wörtlich, so sprudelt hier aus sieben Quellen Mineralwasser, dem auch heilende Wirkung zugesprochen wird. Sarden aus der ganzen Gegend kommen hierher, um sich ihren Bedarf daran in großen Kanistern abzufüllen. Auch wir füllten alle unsere Flaschen mit dem wohlschmeckenden und angenehm kühlen Wasser auf, das direkt aus dem Fels sprudelte. Jetzt zum Ende des Sommers waren nicht mehr alle sieben

Bild 1.53: Die Quellen von San Leonardo de Siete Fuentes
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an dem Weg gelegenen Quellen aktiv. Das Wasser der Quellen bildet einen kleinen Bach. Am Rande der Hauptstraße wird dieser zu einem kleinen Teich aufgestaut, der von einem schattigen Parkanlage umgeben ist. Hier stehen die Gebäude des ehemaliges Konvents, zudem auch ein Hospital gehörte. In einem von ihnen findet sich der für solche Orte fast obligatorische Souvenirshop, der in Anbetracht der heute hier herrschenden Ruhe wie ein Anachronismus wirkte. Ganz anders muss es am ersten Sonntag im Juni in San Leonardo aussehen. An diesem Tag wird hier alljährlich die bedeutendste Pferde-Schau auf Sardinien abgehalten.

Den unauffälligen Parkplatz, der sich etwa zwei Kilometer hinter dem Ortsrand von Santulussurgiu befinden soll, haben wir leider übersehen. Wahrscheinlich waren wir hier, wo es gut bergab ging einfach zu schnell unterwegs. So ist uns der kleine Wasserfall ,,Sos Molinos`` entgangen, den wir eigentlich auch besuchen wollten. Zu ihm soll von besagtem Parkplatz aus ein steiler Pfad führen.

Dafür waren wir zeitig an unserem Zielort angekommen und hatten ausreichen Zeit uns Bonarcardo zu Fuß anzusehen. Das kleine Dorf ist vorallem durch die Wallfahrtskirche aus dem 7. Jahrhundert, die ,,Basilika di Santa Maria di Bonacattu`` bekannt. Sie wurde auf den Resten eines römischen Thermalgebäudes errichtet, und mehrfach umgebaut. Reste des Fußbodenmosaiks und ein Thermalbecken sind bis heute erhalten geblieben. Noch während wir die kleine Basilika von außen besichtigten, riefen die Glocken vom Turm der großen, im 12. Jahrhundert errichteten Hauptkirche daneben zum abendlichen

Bild 1.54: Basilika di Santa Maria di Bonacattu
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Gottesdienst. Einige vorallem ältere Ehepaare schienen diesem Ruf zu folgen. Eine ganze Weile später, nach unserer Runde durch die Ruinen des ehemaligen Klosters hinter der Kirche trafen wir die alten Herren auf den Stufen an der Kirchenmauer wieder. Sie unterhielten sich angeregt, während ihre Frauen dem Pastor lauschten. Langsam schlenderten wir durch die ruhigen Gassen zu unserem Hotel zurück.

Peter Schaefer 2010-10-21