Di. 16.9. Sedilo - Lago di Gusana

45,3km, 850Hm

Gerade sind wir von unserer kurzen Wanderung an das Ufer des Lago di Gusana zurückgekehrt. Wobei Ufer nicht der richtige Ausdruck ist, denn ein richtiges Ufer wie bei einem anderen See gibt es nicht. Je nach Wasserstand des Stausees befindet sich dieses an einer anderen Stelle. Jetzt, bei sehr niedrigem Wasserstand sind die kahlen ehemaligen Berghänge wie mit Jahresringen gekennzeichnet. Eine Badestelle oder gar Badeanstalt, so wie wir sie einige Kilometer vor unserem Ziel gesehen hatten, gibt es hier erst gar nicht und würde

Bild 1.79: Am Ufer des Lago di Gusana
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auch keinen Sinn machen. Dort hing der schwimmende Steg, vollständig auf dem Trockenen liegend, den steilen Berghang hinab. Von den Tretbooten bis zum Wasser waren es gut hundert Meter oder mehr. Nur zwei Reiter badeten ihre Pferde im Wasser. Die ganze Anlage drumherum war großzügig angelegt, mit einer Uferpromenade, mit Bänken und Laternen, nur hatte sie den Bezug zum See verloren. Alles wirkte daher deplatziert und überflüssig. Vieles war schon etwas verwahrlost. Auch unser Hotel sieht so aus, als hätte man einst auf einen großen Urlauberboom gesetzt, den der neue Stausee anzieht. Neben den eigentlichen Hotelgebäude mit Rezeption und Restaurant befindet sich ein großer Komplex mit vielen Zimmern und Ferienwohnungen, es mögen weit über hundert sein, rund um einen sehr schönen Innenhof. Im Moment hatten wir aber eher das Gefühl, als würden sich hier Fuchs und Hase ,,Gute Nacht`` wünschen. Und es machte den Eindruck als sei das den ganzen Sommer so gewesen. Auch der Swimmingpool hinter dem Hotel lud nicht zu einem Bad ein. Zwar war noch Wasser im Becken aber alles drumherum wirkte sehr vernachlässigt.

Beim Aufbruch zu unserer Wanderung hatten wir gehofft, die alte römische Brücke zu finden, die auf einem Photo an der Rezeption abgebildet war, im Hintergrund eine der neuen Stahlbetonbrücken die heute den See überspannen. Über die eine waren wir vorhin von Gavoi gekommen. Von dieser gab es keinen vergleichbaren Blick in das

Bild 1.80: Blick über den Lago di Gusana
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überspannte Seitental. Die zweite befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hotels. Aber weder von den Wegen oberhalb des höchsten Wasserstandes noch von der Brücke aus konnten wir etwas entdecken, das ein Hinweis auf das alte Bauwerk sein könnte. Später erfuhren wir dann, dass wir die Brücke aus der Römerzeit nicht mehr finden können. Sie überspannte einst den Fluss Taloro und liegt heute auf dem Grund des Stausees gut sechzig Meter unter der Wasseroberfläche. Das Foto war vor vielen Jahren aufgenommen worden, bevor der See aufgestaut wurde.

Auf dem ersten Stück des heutigen Tages von Sedilo nach Ottana hatten wir gesehen, in welch schlechten Zustand die Straßen sein können, die für den Durchgangsverkehr keine Bedeutung mehr haben. Wir sind die ganze Zeit faktisch parallel zur Autobahn gefahren. Die ersten zwei Kilometer bis zur Anschlussstelle konnten wir das Rad auf gutem Asphalt richtig schnell rollen lassen. Danach wird die Straße nur noch selten von Autos der Anlieger benutzt. So selten, dass es ganz normal ist,

Bild 1.81: Schafherde auf der Straße zwischen Sedilo und Ottana
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hier die Schafe zur Weide zu treiben. Hoch zu Roß dirigierte der Schäfer seine Schafherde, unterstützt von zwei Hunden langsam auf der Straße entlang zu ihrem neuen Weideplatz. Wir waren das einzige Fahrzeug, dass sie überholte. Die Tiere machten gemächlich Platz und ließen uns langsam passieren. Nur die großen weißen Hunde kannten so etwas wie unser Rad nicht und versuchten uns mit lautem Gebell von der Herde wegzutreiben. Diese Schauspiel wurde uns im Laufe des Tages noch mehrmals geboten. Fast immer, wenn wir uns einer Weide näherten, auf der im Schatten der Bäume eine Schafherde graste oder ruhte, schossen plötzlich zwei weiße Hunde aus der Herde hervor und versuchten uns laut bellend von ihren Schutzbefohlenen fernzuhalten. Dabei kannten sie die Grenzen ihres Reviers sehr genau und kamen nie bis auf die Straße.

Am Ortsausgang von Ottana standen wir plötzlich vor einer schwierigen Entscheidung. Wir hatten geplant, von hier bis nach Sarule eine kleine Nebenstraße zu benutzen, die sich mal links, mal rechts an den Berghängen entlangschlängelt. Die Kreuzung, an der sich beide teilten war sehr verwirrend. Eine Vielzahl von Ein- und Ausfahrten wie bei einem riesigen Autobahnkreuz. Die meisten davon wurden nur wenig genutzt oder sahen gar ungenutzt aus, einige hat man mit großen Sandhaufen versperrt. Die Ausschilderung verstärkte das ganze Chaos noch. Die Hauptstraße war nach Olzai ausgewiesen, ein Ort zu dem laut Karte keine direkte Straßenverbindung von Ottana existiert. An der Nebenstraße zeigte ein verrostetes, verbogenes und kaum noch lesbares Schild nach Sarule, dem nächsten Ort auf unserer Route. Es sah alles, auch der Straßenbelag, nicht sehr vertrauenerweckend aus. Die ganze

Bild 1.82: Esel am Rand der Straße nach Sarule
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Zeit, während wir in einer nichtgenutzten Ausfahrt standen, kam kein Fahrzeug aus dieser Nebenstraße noch fuhr eins in diese Richtung. Nach unseren Erfahrungen der letzten Tage, vor Fordongianus bei Siapiccia und gestern am Ortsausgang von Ghilarza, machte uns das doch etwas nachdenklich. Der Verkehr auf der Hauptstraße hielt sich zur Zeit sehr in Grenzen. So entschieden wir uns für diese. Wir wollten nicht das Risiko eingehen, das wir auf halber Strecke umkehren müssen. Diese Sorge war wohl unbegründet, denn immer wenn wir im Weiteren die Straße sehen konnten, machte sie einen ordentlichen Eindruck, zumindest aus der Entfernung. Auf der breiten Hauptstraße, die fast schnurgerade und mit kaum wechselnder Steigung, wie mit einem Lineal gezogen, eine Scheise surch die Landschaft schlägt, ist der Blick auf die umliegende Natur öfter eingeschränkt. In den tiefen, künstlichen Einschnitten in den Berghängen sieht man dann nur rechts und links die steilen mit Stahlnetzen und Betonwänden gesicherten hohen Böschungen. Dennoch ist auch dieser Abschnitt lohnenswert gewesen, vorallem, wenn man sich die zeit nimmt auch einmal anzuhalten und zurück zu schauen.

Zwischen Sarule und Gavoi sahen wir zum ersten Mal richtige Korkeichenwälder. Hier standen die zum Teil schon recht alten Bäume so dicht, dass man wirklich von einem Wald sprechen kann. Vom Stammumfang trauten wir einigen von ihnen ein Alter von durchaus mehreren hundert

Bild 1.83: Korkeichen zwischen Sarule und Gavoi
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Jahren zu. Fast alle Bäume, die wir von der Straße aus sehen konnten sind erst vor kurzem geschält worden. Die rote Färbung wirkte, als würden die Stämme, ihrer schützenden Haut beraubt, noch bluten.

Knapp sechs Kilometer vor unserem Ziel am Gusana-Stausee liegt das Bergdorf Gavoi. In diesem kleine Ort scheint die Zeit schier stehengeblieben zu sein. Wir verließen hier die Durchgangsstraße und sahen uns die charakteristische Granitfassaden in den engen Gassen in aller Ruhe an. Die Fenstern und Torbögen der meisten Häuser waren mit Blumentöpfen und -kästen aller Größen geschmückt. Jetzt am frühen Nachmittag herrschte eine himmlische Ruhe. Auf den Straßen und den kleinen Plätzen war außer uns niemand unterwegs.

Peter Schaefer 2010-10-21