Auf unserem Weg nach Porvoo haben wir schon kurz nach dem Start die Königsroute verlassen. Dies verläuft in einem Bogen nördlich an Helsinki vorbei, wir aber wollten der Stadt einen kurzen Besuch abstatten. Auf einem gut ausgebauten Radweg ging es meistens neben, manchmal auch über oder unter den, mit zwei getrennten Fahrbahnen autobahnähnlich ausgebauten Straßen Richtung Helsinki. Links
und rechts ausgedehnte Wohngebiete mit lockerer Bebauung, meist nicht höher als zwei Etagen, die von vielen Grünanlagen mit vielen Bäumen unterbrochen wird. Dies ist das typische Bild, das Espoo, die von der Bevölkerungszahl zweitgrößte Gemeinde Finnlands, bietet. Die Grenze zu Helsinki ist nur noch auf der Karte zu finden. Streckenweise wurden wir von Skatern, teils zusätzlich mit Skistöcken ausgerüstet, begleitet oder sie kamen uns entgegen. Von weiten sahen sie dann eher wie Skiläufer aus. Unseren extra für den heutigen Tag gekauften Stadtplan von Helsinki hatten wir sinnvollerweise ganz unten in der großen Reisetasche auf dem Anhänger verstaut und beim Sachen einpacken am Morgen nicht daran gedacht ihn auszubuddeln und griffbereit einzustecken. Die Routenplanung zu Hause mit den sehr guten finnischen Straßenkarten war für das feine Netz der Fuß- und Radwege viel zu grob und so blieb nichts anderes übrig als anzuhalten und die Aufschriften auf den Wegweisern über der Straße mit unseren Etappenkarten zu vergleichen, um zu entscheiden in welcher Richtung wir einem der vielen Radwege am besten folgen sollten. Schließlich standen wir trotz GPS oder auch gerade deswegen am Ende einer Sackgasse vor der Villa Elfvik. In dieser 1904 für die Baroness Elvira Standerskjöld im englisch beeinflussten Jugendstil erbauten Villa ist seit 1991 ein Naturhaus untergebracht. Es dient unter anderem dem Naturkundeunterricht für die Schulen von Espoo. Hier erhielten wir neben sehr ausführlichen Informationen zum Haus und seiner Umgebung, dem Laajalahti Nature Reservat, einem Vogelschutzgebiet, auch die richtige Wegbeschreibung und zusätzlich eine ganz aktuelle Karte für Freiluftaktivitäten, Radfahren, Wandern und Skilaufen in der Region Helsinki. Dazu kam eine lange Liste von Tipps und Hinweisen, was man alles an Museen und Sehenswürdigkeiten besichtigen sollte, wo man gut Pause machen kann, genug für eine ganze Woche Helsinkiaufenthalt. Mit all diesen Informationen gut gerüstet ging es weiter, erst am Wasser, am Ufer des Sees Laajalahti, dann durch ruhige Nebenstraßen und Parkanlagen Richtung Stadtzentrum. Zwischendurch legten wir in einer Nebenstraße den notwendigen Versorgungsstopp an einem kleinen Lebensmittelladen ein. Noch einmal mussten wir die Unterstützung eines netten Finnen in Anspruch nehmen, der uns half den richtigen Weg zu finden, vorbei am dichtesten Verkehr und an etlichen Baustellen. In der Nähe des Stadtzentrums gibt es an vielen Stellen meist aus Platzmangel nicht mehr die breiten Rad- und Fußwege, die bisher das Fahren sehr problemlos gestalteten.Auf dem Hietalahdentori, einem der Marktplätze der Helsinkier Innenstadt herrschte reges Treiben. Vor der alten Markthalle war ein Flohmarktstand neben dem anderen aufgebaut, an denen man fast alles, womit sich irgendwie handeln lässt, finden konnte. An vielen der Stände wurde nicht nur finnisch sondern auch estnisch, lettisch oder russisch gesprochen.
Da nicht alle Stellplätze belegte waren, konnten wir uns, wie schon einige Tage zuvor in Rostock praktiziert, mit unserem langen Gefährt langsam zwischen den Reihen hindurchfädeln, bis wir auf der anderen Seite des Marktplatzes wieder eine Straße erreichten, auf deren anderen Seite ein kleiner Sportboothafen lag.Von nun an orientierten wir uns wieder an der Uferlinie, Richtung Südspitze der Halbinsel, die zum Großteil vom Kaivopuisto, einer ausgedehnten Parkanlage eingenommen wird. Eine der öffentlichen Toiletten in diesem Park, ähnlich den bei uns bekannten Citytoiletten, nahm es uns sehr übel, das wir sie nacheinander benutzen wollten, ohne dafür auch zweimal zu bezahlen. Nach dem ich das Etablissement wieder verlassen hatte, huschte Edda hinein, bevor sich die Tür wieder schloss, mit dem Ergebnis, dass die Innenbeleuchtung ihren Dienst versagte und die Tür sich nicht von innen verschließen ließ, was aber ersteinmal nicht weiter beeindruckte. Kurze Zeit später jedoch fing dieses öffentliche WC an laut zu piepen und hörte nicht mehr damit auf. Während wir unseren Weg fortsetzten hörten wir noch eine ganze Weile dieses Geräusch. Das in unmittelbarer Nähe agierende Filmteam ließ sich davon auch nicht weiter stören.
Unterhalb der Uferstraße fanden wir einen hervorragenden Platz für eine ausgedehnte Picknickpause. Von einer Bank fast direkt am Wasser blickten wir auf die Unzahl der kleinen und großen Schäreninseln und auf Suomenlinna, die 250 Jahre alte Seefestung vor dem Hafen von Helsinki.
Nach dem wir uns ausgiebig gestärkt hatten, trieb uns nach kurzer Zeit der kalte, vom Meer kommende Westwind weiter. Obwohl der Platz sehr zu längerem Verweilen einlud und trotz des strahlenden Sonnenschein hielten wir es hier nicht länger aus und die Regenjacken wollten wir aus als Kälteschutz auch nicht überziehen. So entschlossen wir uns weiterzufahren. Der dicht am Wasser verlaufende Uferweg ist leider mit Fahrrädern nicht befahrbar, schlängelt er sich doch zwischen den, zum Teil sehr eng liegenden, runden Felsbrocken durch. Schon nach wenigen Metern steckten wir mit unserem Zug fest. So sind wir wieder auf die etwas weiter oben liegende Straße zurückgekehrt, die uns direkt zum Fährhafen brachte. Von hier aus verläuft eine Art Uferpromenade an den meisten Gebäude des historischen Stadtkernsvorbei, am Präsidentenpalais, an der Hauptwache und am Stadthaus. Im alten Hafen lag eine Unzahl zum Teil großer historischer Segelschiffe, im Hintergrund das alte Hafenmagazin, noch überragt von der Uspenski-Kathedrale, der größten russisch orthodoxen Kirche in Nordeuropa.Von hier aus verließen wir Helsinki Richtung Osten, auf Nebenstraßen durch ausgedehnten Wohngebiete fahrend, immer parallel zu zur Autostraße ausgebauten 170. Erst als die Häuser anfingen spärlicher zu werden gelangten wir auf einen breiten Radweg der in geringem Abstand neben der Straße verlief. Hier begegneten uns wieder Skater, die mit zwei Skistöcken ausgerüstet recht flott unterwegs waren. Zuvor hatte uns eine Baustelle noch vor ein großes Problem gestellt. Plötzlich war der Radweg gesperrt und es war zu sehen, dass er ein Stück weiter für einen neuen Abschnitt kreuzenden Autobahnringes abgebaggert wurde. Hier war ein großer Straßenknoten im entstehen. Nirgendwo ein Hinweis auf eine Umleitung, so blieb uns letztlich als Alternative nur zusammen mit den ganzen Autos, es war schon Feierabendverkehr, durch die Baustelle zu fahren. Nach gut 1,5km waren wir am anderen Ende der Baustelle angekommen und konnten ab hier ungestört auf dem breiten Radweg weiterfahren. Schon gestern, auf dem Weg nach Espoo, waren uns einige große, weithin sichtbare und sehr markante Wassertürme aufgefallen. Auch heute, bei der Fahrt durch die Randgemeinden von Helsinki sind wir wieder an mehreren solcher Landmarken vorbeigefahren, so als wolle jede Gemeinde ihre Größe und Bedeutung auf diese Weise zur Schau stellen. Den ersten dieser Türme hatten wir in Hanko gesehen, allerdings hielten wir ihn eher für einen Leuchtturm. Von seinen eigentlichen Verwendungszweck erfuhren wir erst später, beim Studium des Informationsprospektes. Den meisten anderen dieser Riesen war ihre Funktion dagegen sofort anzusehen.
Die letzten 20km bis Porvoo gab es nur noch den breiten Randstreifen. Wie die Hinweisschilder am Straßenrand zeigten ist dieser Abschnitt Bestandteil des finnischen Radwandernetzes. Auch wir hatten unsere Route auf der Grundlage finnischer Radwanderkarten geplant. Der Verkehr hatte aber schon im Laufe des Nachmittages und mit zunehmender Entfernung von Helsinki abgenommen, so dass der hier fehlende Radweg keine Beeinträchtigung bedeutete. Erst kurz vor Porvoo sind wir wieder von der Straße runtergefahren. Die Radwege im Ort verliefen oftmals in recht großem Abstand zur Straße und so hatten wir einige Schwierigkeiten die Tafeln mit dem Campingplatzsymbol zu finden, die alle so angebracht sind, dass sie nur aus dem Auto, von der Straße aus, gut zu sehen sind. Unser Ziel erreichten wir dadurch erst über einen großen Bogen, der uns am Stadtkern vorbei führte.
Peter Schaefer 2008-02-06