Schon gestern Abend war die Entscheidung gefallen. Wir können wie geplant über Jerggul und Karasjok fahren und müssen nicht auf die landschaftlich weniger schöne und anstrengendere Alternativstrecke über Alta ausweichen. Die Hütte in Jerggul ist telefonisch vorbestellt. Bei der Vorbereitung unsere Tour ließ sich nicht eindeutig feststellen, ob es dort eine Übernachtungsmöglichkeit gibt. Selbst über den Ortsnamen waren sich die Karten uneinig. Einige verzeichneten an dieser Stelle einen Ort namens Holmestrand, andere Jerggul, andere wieder beide. E-Mail an die im Internet angegebene Adresse kam als unzustellbar zurück. Nun sind wir telefonisch angemeldet.
Kaum das wir den Campingplatz in Karesuando verlassen hatten, wurden wir von einem roten Kleinbus gestoppt. Die Fahrerin wollte von uns ein paar Fotos machen. Ähnliches hatten wir schon gelegentlich auf unserer Fahrt erlebt. Aus dem sich anbahnenden Gespräch wurde bald ein richtiges Interview. Uns hatten nicht interessierte Touristen gestoppt sondern eine Journalistin, die für die regionale in Sami erscheinende Zeitung unterwegs war. Nun wird ein Beitrag über unsere Tour vom Göteborg zum Nordkap in der nächsten Ausgabe erscheinen, mit Foto. Das versprochene Exemplar des Artikels, das wir nach unserer Rückkehr nach Berlin erhalten hatten, ist eine weitere Erinnerung an unseren Urlaub, auch wenn wir leider niemanden kennen, der uns den Text übersetzen kann.
Bevor wir den Ort endgültig hinter uns ließen, mussten wir erst noch Bananen und Apfelsaft kaufen, alle anderen Vorräte waren noch ausreichend. Der Coop hatte gerade geöffnet und der notwendige Einkauf dauerte nicht lange.
Die ersten 30km fuhren wir neben dem Kautokeinoelva oder oberhalb des breiten Tales in dem der Fluss eher an einen langgezogenen See erinnerte. Hier überholte uns auf der ansonsten autoleeren, breiten Straße der auf der gesamten Strecke bisher rücksichtloseste Kraftfahrer. Ein Reisebus aus Deutschland, dessen Fahrgäste sich kurz zuvor an der Tankstelle in Kautokeino mal kurz die Füße vertreten durften, raste laut hupend und mit extrem geringem Abstand an uns vorbei. Der Tankstop war wahrscheinlich der einzigste Stopp in Kautokeino, bevor es weiter Richtung Nordkap ging. Nach der Fahrweise zu urteilen, sollte das Ziel noch vor dem Abend erreicht werden.
In Gæidnovuoppe verließen wir die Straße Richtung Alta um durch die Finnmarksvidda, ein riesiges Hochplateau, Richtung Karasjok zu fahren. In ständigem Auf und Ab, dabei mehr auf als ab hatten wir den Eindruck, ging es durch eine schier endlose Landschaft, geprägt von wenigen kleinen verkrüppelten Birken, verschiedensten Moosen und Flechten auf dem teils steinigen teils sandigen Boden. Zwischendrin immer wieder kleine Seen und ausgedehnte Hochmoore. Auf den Knapp 60 km bis Jerggul liegen drei weitere winzige Siedlungen, all nicht größer als unser Zielort, einige wenige Gehöfte und in zwei dieser Flecken eine kleine Kirche. Zwischen diesen Örtchen sieht man gelegentlich direkt an der Straße einen Lagerplatz eines Rentierzüchters, dessen Tiere hier ihre Winterweide haben. In einer Kurve irgendwo in der Finnmarksvidda wurden wir zu einem zweiten Fototermin erwartet. Am Straßenrand standen zwei deutsche Touristen neben ihrem Auto, bewaffnet mit Videokamera und Fotoapparat und warteten auf unsere Vorbeifahrt. Kurz vor Jerggul ging es in einer langgezogenen Abfahrt in das flache Tal des Jiesjokka.
Als wir in ,,Jergul Asttu``, so die Schreibweise auf dem Schild an der Straße, ankamen, war weit und breit keine Menschenseele zu sehen, auch auf dem Nachbargrundstück nicht. Erst nach dem wir unseren heutigen Wirt angerufen hatten, tauchte eine ältere nur norwegisch sprechende Dame auf, die uns in eine recht neue Hütte ohne Kochstelle einquartierte. Da es aber auch sonst keinerlei Möglichkeit gab, sich Essen zu bereiten und es auch kein Restaurant oder ähnliche gab, sind wir nach längerem Palaver per Handy, wir mit der Wirtin in englisch, die nette Dame mit der Wirtin in norwegisch, in eine andere, ältere Hütte umgezogen. Nun sind wir in einem kleinen Haus mit einem Vierbettzimmer mit Kochecke, einem kleineren Zweibettzimmer ebenfalls mit Kochecke, einem zur Zeit ungenutzten, eher etwas ungemütlichen und zudem ungeheizten und daher feuchtkalten Aufenthaltsraum und einem ganz neuen Bad mit Dusche. In den beiden Schlafräumen stand jeweils eine eiserne kleine Kochmaschine, die mit Holz beheizt werden kann. Und das alles für uns alleine.
Nachdem alle unsere Sachen in der Hütte untergebracht waren, haben wir uns Jergul Asttu und das Prospekt genauer angesehen. Unsere Gastgeber sind offensichtlich mehr auf Gruppen ausgerichtet, die mehrere Tage bleiben und von hier aus Kanufahrten, Wanderungen oder im Winter Hundeschlittenfahrten unternehmen, auf modernen Erlebnistourismus. Wir als einzelne, die nur eine Übernachtung suchen um am nächsten Morgen weiterzufahren sind wohl eher die Ausnahme. Jerggul ist auch Ausgangspunkt mehrere Wanderwege die nach Alta führen.
Nachzutragen wäre noch das Wetter, Nachdem es die ganze letzte Nacht geregnet hatte, war es am Morgen trocken. Aber schon nach wenigen Kilometern hatten wir den Regen wieder eingeholt. Erst am Nachmittag, als wir über die Finnmarksvidda fuhren, wurde es freundlicher mit längeren sonnigen Abschnitten aber auch immer wieder Schauern. Der letzte erwischte uns beim Besichtigen und Aussuchen des Nachtquartiers und sorgte für nasse Sitze.
Peter Schaefer 2006-02-18