Bei der Planung unseres Urlaubs hatten wir lange überlegt, wie wir am besten von Castelsardo nach Alghero gelangen. Eigentlich wollten wir weiter an der Küste entlang fahren bis nach Porto Torres und dann noch ein Stückchen weiter in Richtung Stintino. Von dort sollte es am nächsten Tag zum ,,Parco geominerario`` bei Palmadula und dann nach Alghero weitergehen. Aber es fanden sich faktisch keine geeigneten freien Quartiere, die unseren Preisvorstellungen von höchstens 100Euro pro Nacht entsprachen. Und das, obwohl wir schon im Februar mit den Planungen begonnen hatten. Das einzig freie Bed$Breakfast, das wir etwa in der Mitte zwischen Castelsardo und Alghero fanden, lag in Tortubella. Über Porto Torres wäre der Weg dorthin zu weit gewesen. Außerdem gab es, außer über stark befahrene Hauptstraßen, keine brauchbare Verbindung zwischen der Hafenstadt, in der die Fähren von Genua und Marseille anlegen, und unserem Ziel. Zumindest haben wir an Hand der genutzten Karten keine gefunden. Das Verkehrschaos rund um die sardische Hauptstadt Sassari, in die vorallem Autobahnen und Autostraßen führen wollten wir uns auch nicht antun. Stattdessen sind wir von der Küstenstraße aus über kleine und kleinste, aber durchweg asphaltierte Nebenstraßen durch
Villenviertel und Olivenhaine am Stadtrand von Sassari entlang gefahren. Ungestört und abseits des Autoverkehrs konnten wir hier die Landschaft genießen, bis wir die Stadtrandsiedlung erreichten, in der wir jetzt pausieren.Der Küstenabschnitt hinter Punta Tramontana wird durch kilometerlang ausgedehnte Sandstrände bestimmt. Hier findet man etliche Campingplätze, Strandbars und Diskotheken, dazwischen immer wieder eher ruhige Abschnitte. Am Morgen, als wir dort anhielten, waren die allerersten Badelustigen mit ihrer Ausrüstung angekommen und der Strand wirkte daher noch richtig leer. Bei diesem Wetter werden sich auch diese Abschnitte im Laufe des Tages sicherlich noch kräftig füllen. Die großen angelegten und die vielen wilden Parkplätze am Straßenrand deuten darauf hin. Zwischen Eden Beach und Marina di Sorso unternahmen wir einen kurzen Abstecher zum Strand.
Hier wäre für uns eine gute Möglichkeit zu einem Bad im Meer gewesen. Leider gab es an dem kleinen Parkplatz keine Möglichkeit, sich nach dem Bad das Salz wieder abzuspülen. Nur dort wo es Strandbars und Restaurants am Strand gibt, findet man sanitäre Anlagen, Toiletten fließend Wasser und eventuell auch eine Dusche. Da uns noch der größere Teil des Tages und damit größte Mittagshitze bevorstand, verzichteten wir hier auf das Bad. Die letzte Möglichkeit dazu wäre in Marina di Sorsa gewesen. Ein Blick von der Uferterrasse neben dem Parkplatz zeigte uns das typische Bild eines Strandbetriebs mit Liegen- und Sonnenschirmvermietung, Bars und Cafés aber auch der dazugehörigen Möglichkeit sich abzuduschen. Aber auch das entsprach nicht unseren Vorstellungen von mal kurz ins Meer eintauchen, eine kleine Runde schwimmen, abspülen, abtrocknen und dann aufs Rad steigen und weiterfahren, so wie wir es zu Hause an den Brandenburger Seen praktizieren.Nun sitzen wir im Garten unseres kleinen Einzimmer Appartements und lassen die Ruhe, die hier, abseits der großen Straßen herrscht, auf uns wirken. Von unserem Pausencafe führte uns unsere Route auf zum Teil abenteuerlichen Wegen und über nicht fertiggewordene oder ins nichts führende Autobahnzufahrten noch ein Stückchen weiter am Rand der Siedlungsgebiete entlang, bis wir Sassari endgültig den Rücken kehrten. Auf fast leeren Straßen, der gesamte Autoverkehr wird von der parallel verlaufenden Autobahn angezogen, gelangten wir fast bis Tortubella. Über einen knapp 10km langen Abschnitt war die uns umgebende Landschaft fast eben und die Straße verlief so weit man sehen konnte schnurgerade. Das hatten wir hier so nicht erwartet. Die Vegetation zu beiden Seiten glich einer Savanne, mit vereinzelten großen Bäumen inmitten eines ausgedehnten Gras- und Buschlandes.
Kurz vor unserem Ziel mussten wir dann allerdings feststellen, dass wir wieder einmal auf die Sardinienkarte vom Verlag Freytag&Bernd hereingefallen waren, diesmal allerdings schon bei der Planung. Auf dieser ist ein Verbindungsweg, der dann in eine Straße übergehen soll, eingezeichnet, der von Norden kommend nach Tortubella führt. Auch auf Google-Earth war dieser Weg zu finden. Als wir heute Nachmittag dann an dieser Kreuzung standen, mussten wir allerdings feststellen, dass an der Einfahrt ein Tor mit einem großen Schild ,,Privat`` stand. Das Tor stand zwar weit offen, aber der Weg sah so aus, als würde er direkt auf ein ausgedehntes Anwesen führen. Daher verzichteten wir auf den Versuch, hier irgendwie durchzukommen und entschieden uns gleich für den knapp 10km längeren Weg über die großen Straßen fast einmal rund um Tortubella.
Bei unserer Runde zu Fuß durch den gar nicht so kleinen Ort, machte Tortubella einen sehr zwiespältigen Eindruck auf uns. Im Kontrast zu den vielen gepflegten Häusern und deren Vorgärten stand das Ortszentrum. An der noch gar nicht so alten Kirche war ein Bereich neben dem Turm abgesperrt, da von diesem Steine abzustürzen drohten. Anstelle der Glocken werden wohl jetzt die großen auf dem Turm montierten Lautsprecher genutzt. Auch der ausgedehnte Gebäudekomplex in der Ortsmitte hatte mal bessere Zeiten erlebt. Er zeigt deutliche Spuren der Zeit und wirkt, als würde er leerstehen, wird aber offensichtlich gelegentlich noch teilweise genutzt. Über den weiträumigen Platz sind vor einiger Zeit bunte Bände gespannt worden, die die Kirche mit diesen Gebäuden verbinden. Es sieht so aus, als hätte hier vor gar nicht so langer Zeit ein großes Fest stattgefunden. Außer in der der kleinen, nicht sehr einladend wirkenden Cafebar an der einen Ecke des Platzes war nicht viel Leben auf den Straßen. Hier und da standen zwei Nachbarinnen vor ihrer Tür und unterhielten sich ausgiebig. Auch dem Fußballplatz am Rande des Ortes war anzusehen, dass er mal bessere Zeiten erlebt hatte. Zwei windschiefe Tore, zwei solide gebaute Trainerbänke, ein kleines Vereinshäuschen mit der verblassende Aufschrift ,, S S Tortubella`` standen an einem staubigen Platz, auf dem noch spärlichen Reste des Rasens zu erahnen sind.
Das Abendbrot wurde an einer langen Tafel serviert, an der alle Gäste des Hauses Platz nahmen. An der einen Stirnseite saß unser Gastgeber, Hausherr und Familienoberhaupt Constantin, ein stolzer Sarde von knapp sechzig Jahren. Auf den ersten Blick hätte man ihn von seiner äußeren Erscheinung her auch für einen griechisch-orthodoxen Geistlichen halten können, mit seinem langen, grauen Bart und der schwarzen Kopfbedeckung. Erst nach genauerem Hinsehen erkannten wir, dass er in der hier typischen sardischen Art gekleidet war. Auch aus der ganzen Einrichtung des Raumes, in dem wir speisten, und aus seinen Erzählungen über die lange und reiche Geschichte des sardischen Volkes sprach sein Stolz. Dabei war die Unterhaltung nicht ganz einfach, da Constantin nur italienisch bzw. sardisch sprach und immer einer der Gäste dolmetschen musste.
Außer uns waren noch zwei weiter Ehepaare in Tortubella zu Gast. Wie sich herausstellte, hatten sich unsere Wege schon zweimal gekreuzt. Wir waren am Sonnabend mit der selben Fähre von Livorno in Olbia angekommen und wir hatten in Arzachena im gleichen Hotel übernachtet. Das ergab ausreichend Gesprächsstoff für den ganzen Abend. Erst nach elf Uhr wurde die Nachspeise des sehr ausgiebigen, sardischen Dinners im Garten serviert.
Peter Schaefer 2010-10-21