Unser Hotel liegt nur wenige Minuten Fußweg entfernt, fast direkt am Strand von lu Bagnu, dem Badeort von Castelsardo. Als wir am frühen Nachmittag an den Treppen vorbeifuhren, die hoch zur Burg und zur Altstadt führen, haben wir einen Moment gezögert. Sollen wir das Rad hier in bewährter Art und Weise anschließen und uns die sicherlich interessante Altstadt mit dem imposanten Kastell und den engen steilen Gassen ansehen oder fahren wir weiter, um noch genug Zeit für einen Strandbesuch mit Bad im Mittelmeer zu haben. Wir entschieden uns für letzteres und damit gegen Kultur und Geschichte dieses über 900 Jahre alten Ortes. Dieser Entschluss fiel nicht zuletzt auch wegen des Wetters. Seit unserer Ankunft am Sonnabend scheint hier die Sonne und das Thermometer steigt jeden Tag über die 30 Gradmarke. Da ist Baden gehen einfach attraktiver als das Bewundern von Baudenkmälern und historischen Zeitzeugen, auch wenn Castelsardo auf eine abwechslungsreiche Vergangenheit blicken kann. Zudem schreckten uns auch die vielen Treppenstufen ab, die es auf dem Weg von der Straße bis zu den Mauern der Festung zu erklimmen gilt. Der schönste Blick auf Castelsardo bot sich bei der Anfahrt von Valedoria, kurz bevor wir den Ort erreicht hatten.
Noch ein anderer Grund veranlasste uns zum Weiterfahren. Die rechte Bremszange musste dringend kontrolliert werden. Jedesmal beim Abbremsen auf den teilweise recht rasanten aber auch kurvenreichen Abfahrten gab sie seit heute Mittag sehr merkwürdige und beängstigende Geräusche von sich. Auf der Bremsscheibe zeigte sich langsam ein schmaler dunkler Streifen, der so dort nicht zu erscheinen hat. Die Ursache dafür musste gefunden werde, wollten wir nicht einen plötzlichen Totalausfall mit unter Umständen gefährlichen Folgen riskieren. Was sich dann herausstellte, übertraf unsere Befürchtungen bei weitem. Ein Bremsbelag fehlte vollständig, einschließlich des zugehörigen Metallträgers, der mit einem Splint gesichert sein sollte. Stattdessen hat die Magnetseite des Bremskolbens direkt auf der Bremsscheibe gerieben. Zum Glück hat dieser noch nicht zu sehr gelitten und scheint noch zu funktionieren. Die hydraulische Bremszange ist noch dicht und der Kolben lässt sich noch bewegen. Wieso der Belag fehlte oder gar wann und wo er abhanden gekommen ist, ließ sich nicht mehr rekapitulieren. Vor unserem Urlaubsantritt waren die Räder in der Werkstatt zur Inspektion. Hoffentlich ist das Problem mit dem neu eingesetzten Bremsbelag erst einmal behoben, sonst könnte unsere Reise bald zu Ende sein. Magura Ersatzteile werden wir hier auf Sardinien nicht so leicht bekommen. Unser Versuch in einem Fahrradgeschäft in Viadora neue Kettennietstifte zu kaufen, war heute Mittag gescheitert. Zwei von den drei in unserem Ersatzteilpäckchen waren gestern zum Beheben des Kettenschadens notwendig gewesen. Man riet uns am besten nach Sassari oder Porto Torres zu fahren, da es dort größere Fahrradgeschäfte gibt.
Die Reparaturen waren nach einer halben Stunde erledigt und so blieb uns noch ausreichend Zeit für einen Strandbesuch und ein ausgiebiges Bad in den seichten Wellen des Mittelmeeres, das erste Mal, seit wir auf Sardinien unterwegs sind.
Am Morgen waren wir zur üblichen Zeit aufgebrochen und hatten nach wenigen Kilometern wieder die Küstenstraße erreicht. Die meiste Zeit waren wir auf ihr unterwegs. Sie verläuft einige Kilometer entfernt vom Ufer entlang der Berghänge. Immer wieder bot sich so ein fantastischer Blick über das Meer, auf den Golfo di Asinara und auf
die kleinen Badeorte direkt an seinem Ufer. Einer von ihnen ist Isola Rossa, das nach einer kleinen, vorgelagerten Insel aus rotem Porphyrfelsen benannt ist. Wie die meisten anderen ist es ein ehemaliges Fischerdorf. Den kleinen Hafen gab es schon zur Zeit der spanischen Herrschaft. Der aus dieser Zeit stammende Wachturm zeugt noch heute von der bewegten Geschichte dieser Küste.Einen ganz anderen Charakter zeigte dagegen Badesi, ein altes, sardisches Dorf. Es liegt am Berghang, oberhalb des breiten Schwemmtal des Coghinas-Flusses. Die Straße führt eigentlich an ihm vorbei. Obwohl es kein Touristenort ist und auch nicht sehr groß, gibt es dort etliche Einkaufsmöglichkeiten. Für uns war diese eine willkommene Gelegenheit, unsere Vorräte wieder aufzufüllen.
Valedoria erreichten wir genau zur Mittagszeit. Nach dem erfolglosen Besuch des einzigen allerdings auf Mopeds spezialisierten Zweiradhändlers im Ort flüchteten wir vor der Sonne und der aufkommenden Hitze in ein Straßencafe. Im Schatten, bei kaltem Mineralwasser und einem guten Espresso hielten wir eine ausgedehnte Siesta. Die Strecke von Valedoria bis Castelsardo ist ein mehrfaches Auf und Ab mit jeweils fast 100m Höhenunterschied. Das erste Stück ist ruhig und kaum befahren. Die laut Reiseführer größte
Sehenswürdigkeit dieser Gegend, den Elefantenfelsen haben wir bewusst ausgelassen. Er liegt direkt neben einer viel befahrenen Straße mit der entsprechenden Infrastruktur. Der Blick auf den vollen Parkplatz hat uns ausgereicht.Peter Schaefer 2010-10-21