Do. 5.Oktober Zu Fuß zur Villa Cetinale

12,9km; 410Hm

Nach 11 Tagen Radfahren wollten wir uns heute die nähere Umgebung von La Cetina genauer ansehen. Die Gemeinde Sovicille hat in ihrer Informationbroschüre mehrere Wandervorschläge unterbreitet, darunter auch eine Tour direkt durch unseren Ort. Ausgerüstet mit einem geborgten Rucksack, der Proviant, Wasser, Karten und zur Sicherheit noch die Regenjacken aufnahm, ging es zur gewohnten Zeit los, aber diesmal zu Fuß. Das erste Stück war der uns schon fast vertraute Schotterweg nach Sovicille. Aber schon kurz nach dem Hof Mora, die Hunde nahmen diesmal überhaupt keine Notiz von uns, ließen sich weder sehen noch hören, bogen wir in den Wald ab. Auf einem alten Karrenweg, beidseitig gesäumt von Steinmauern, gelangten wir zu dem aufgegebenen Hof Gabretta. Noch sind die Gebäude halbwegs in Takt, die Dächer dicht, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis alles überwuchert ist und lediglich die Reste der Mauern auf den ehemaligen Bauernhof hinweisen. Dieser Hof gehörte zur Gemeinschaft von Pernina, das wir kurze Zeit später erreichten. Der Kirchenbau mit seinen zugehörigen Wirtschaftsgebäuden liegt am Rand einer großen Wiese mitten in den

Bild 1.62: Kirche San Giovanni Battista in Pernina
\begin{figure}\begin{center}
\includegraphics[width=120mm]{Bilder/bild_10_05_1}
\end{center}
\end{figure}
Wäldern der Montagnola. Obwohl die Gebäude keinen verlassenen Eindruck machten sahen wir hier keine Menschenseele, bis auf einen älteren Mann, der mit seiner Flinte grußlos an uns vorbeischlich und auf der anderen Seite der Wiese wieder im Wald verschwand. An der einen Mauerecke fanden wir die Wegweiser des Radtourenvorschlages Nummer 1 der Gemeinde Sovicille. Ebenso wie unsere Wanderroute, verlief er mitten über die abschüssige Wiese, um an deren Ende, neben einem kleinen, nicht mehr genutzten Friedhof als schmaler Pfad im Wald zu verschwinden. An dessen Ende gelangten wir wieder auf einen Karrenweg, der uns bis zur Einsiedelei Romitorio führte. Die Tür war massiv verriegelt. Ein Schild daneben informierte
Bild 1.63: Einsiedelei und Klause Romitorio
\begin{figure}\begin{center}
\includegraphics[width=90mm]{Bilder/bild_10_05_2}
\end{center}
\end{figure}
darüber, dass hier in der letzten Zeit mehrmals eingebrochen und erheblicher Schaden angerichtet wurde. Deswegen sind umfangreiche Reparaturarbeiten notwendig und die Einsiedelei ist bis auf weiteres geschlossen. Auf dem gleichen Schild wurde vor der Benutzung der Himmelsleiter gewarnt. Es sei gefährlich, die über 300 Jahre alten Stufen der ,,Scale Santa``, der heiligen Treppe, zu benutzen und wer es dennoch versucht, handelt auf eigenes Risiko. Wir ließen uns davon nicht beeindrucken und stiegen den etwa 500 m langen heiligen Stieg zur Villa Cetinale ab. Zur Strafe für diesen Ungehorsam rutschte Edda auf einer der mit viel kleinem Geröll bedeckten Stufen aus und schrammte sich beim Abfangen des Sturzes die Handflächen auf. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert, vielleicht auch dank der fünf
Bild 1.64: Blick von der Klause Romitorio zur Villa Cetinale
\begin{figure}\begin{center}
\includegraphics[width=90mm]{Bilder/bild_10_05_3}
\end{center}
\end{figure}
Heiligen, die aus ihren steinernen Nischen in der hochaufragenden Giebelwand über jeden wachen, der hier auf oder absteigt. Durch den sich immer wieder ändernden Blick sowohl auf die allmählich kleiner werdende Einsiedelei als auch auf die langsam näherkommende Villa Cetinale wurden wir für Mühen des Abstiegs mehr als entschädigt. Unten angekommen, warfen wir einen kurzen Blick durch das geöffnete Tor in den Garten der Villa, bevor wir ihn halb umrundeten. Am Haupteingang informierte ein Schild neben dem verschlossenem Tor, dass der Garten von Montag bis Freitag zwischen halb zehn und zwölf Uhr für 10 Euro pro Person zu besichtigen sei. So spektakulär sah er von hinten nicht aus. Villa und Garten sind auf Anweisung eines Papstneffen im 18. Jahrhundert erbaut worden. Vor einigen Jahren hatte sich Prinz Charles mal für einige Tage hier aufgehalten. Ob das alles zusammen den geforderten Obolus wert ist, schien uns sehr zweifelhaft. Zudem war die Mittagsstunde schon seit einiger Zeit überschritten und das Tor daher fest verschlossen.
Bild 1.65: Villa Cetinale
\begin{figure}\begin{center}
\includegraphics[width=120mm]{Bilder/bild_10_05_4}
\end{center}
\end{figure}

Am Rande des Parks von Tebaide stiegen wir wieder aufwärts. Von den vielen Statuen, die zum Ende des 17. Jahrhunderts diese Parkanlage einmal schmückten, sind nur noch wenige erhalten geblieben. Im Schatten der großen Bäume legten wir eine kurze Pause ein.

Auf dem weiteren Weg Richtung Luciano kamen wir an zwei total verrosteten Wegweisern vorbei. Sie zeigten nach Campo di Pania, einem ehemaligen Gutshof ähnlich La Cetina, der dem Zustand der Weg, die zu ihm führten, nach zu urteilen, schon vor langer Zeit aufgegeben wurde.

In Luciano kehrten wir heute nicht zum Essen ein, sondern liefen auf der Straße weiter Richtung La Cetina. Eigentlich wollten wir uns noch Burg und Schloss Celsa, an dem wir in den letzten Tagen mehrmals vorbeigefahren waren, aus der Nähe ansehen, aber alle Wege, die dorthin führen sollten, waren entweder als solche nicht mehr existent oder aber schon weit vorher mit Zaun und Kamera bestücktem Tor versperrt. Die dort wohnend Adelsfamilie Aldobrandini wünschte offensichtlich keine Störungen und ist wohl auch nicht auf Touristen als zusätzliche Einnahmequelle angewiesen. Dennoch sind in den Beschreibungen der Gemeinde Sovicille

Bild 1.66: Die Burg Celsa
\begin{figure}\begin{center}
\includegraphics[width=120mm]{Bilder/bild_10_05_5}
\end{center}
\end{figure}
sowohl Burg selbst als auch die Rundkapelle und der barocke Park, der alles umgibt als besonders sehenswert benannt, so als könnte man diese Außenanlagen zumindest zeitweise besichtigen, aber dem ist nicht so.

Wir gaben schließlich unsere Annäherungsversuche auf und folgten noch einem Tipp unseres Gastgebers, den nahegelegenen ehemaligen Marmorsteinbruch zu besichtigen. In der Montagnola wurde an mehreren Stellen Marmor abgebaut, der in den Kirchen und Villen der umliegenden Orte aber auch in Siena und Florenz verbaut wurde. Heute sind nur wenige der ehemaligen Gruben noch aktiv, vorallem die, in denen die wertvollen Marmorsorten Broccatello und Giallo Siena abgebaut werden. Beide Mamorsorten gibt es nur in dieser Gegend. Die schon seit langem stillgelegte Grube, die wir besuchten liegt auf fast 600m Höhe, und der ehemalige Berggipfel ist teilweise abgetragen. In das Innere des wie Kessel ausgehölten Steinbruchs kann man nicht mehr so ohne weiteres gelangen. Seit einiger Zeit umgrenzt ein Zaun mit Tor das heute von Kletterern genutzte Areal und soll wohl auch unbedachte Wanderer von eigenen Kletterversuchen abhalten. Auch von hier aus bietet sich ein faszinierender Blick über die Ebene in Richtung Norden und Osten, auf Siena und bis hin zu den Bergen der Apenninen, die im Dunst am Horizont zu erahnen sind.

Bild 1.67: Blick in den ehemaligen Marmorsteinbruch bei La Cetina
\begin{figure}\begin{center}
\includegraphics[width=120mm]{Bilder/bild_10_05_6}
\end{center}
\end{figure}

Heute sind alle Gäste von unserem Gastgeber zum Abendbrot eingeladen. Auf dem Grill im Kamin wurden die Steaks zubereitet. Dazu einen wohlschmeckenden Rotwein. Als Nachspeise gab es dann frische, heiße Maronen aus den ausgedehnten Maronenwäldern rund um La Cetina.

schaefer 2007-10-07