Den Hinweisen aus den Radtourenbeschreibungen für das Mersetal, die wir uns aus der Touristinformation in Sovicille geholt hatten, folgend, änderten wir unsere geplante Tour in Richtung Grete etwas ab. Zuerst wollten wir nun einer dort beschriebenen Radroute folgen, die über etwa 2,5km auf einer alten Zypressenallee zwischen den mittelalterlichen Dörfern Stigliano und Montestigliono verläuft. Die ganze Route ist als einfach zu fahren und als familientauglich beschrieben und sollte daher auch für uns geeignet sein.
Zuerst fuhren wir durch die größte der drei Ansiedlungen des mittelalterliche Dorfes Stigliano. Das besondere hier sind die Wohntürme in jedem der Ortsteile. Diese sind zwar nicht so groß und spektakulär wie die Geschlechtertürme von San Gimignano, aber nicht weniger beeindruckend, wenn man bedenkt, wann sie errichtet wurden. An vielen Gebäuden des Ortes zeugen Elemente romanischer Architektur von dem beachtlichem Alter der Gemäuer.
Dank der genauen Beschreibung war die Zypressenallee vom Ortsausgang aus einfach zu finden. Die Viali liegt am Rande des Naturschutzgebietes Riserva Naturale dell'Alto Merse und zweigt von dem ausgeschilderten Weg nach Podre de Campalfi ab. Sie verläuft dann fast schnurgerade über mehrere Hügel. Zu beiden Seiten wird sie von alten gewaltigen Zypressen gesäumt. So schön wie dieses Bild, so schlecht war der Weg selbst, vom Regenwasser tief zerfurcht, bedeckt mit einer dicken Schicht aus lockerem Splitt und kleinen runden Steinen. Den meisten Teil mussten wir unser Rad ziehen. Selbst für ein Mountainbike ist dieser Untergrund eine echte Herausforderung. Für Wanderer dagegen ist die Viali eine sehr empfehlenswerte Strecke. Während wir hier unterwegs waren ist uns jedoch kein Mensch begegnet. An den Kreuzungen mit anderen Wegen
waren alte Mühlsteine abgelegt. Sie zeugen davon, das hier in der Nähe, bei Brenna am Fluss Merse und an dem kleinen künstlichen Kanal Gora mehrere Mühlen betrieben wurden. Einer lag auf vier Stapeln kleinere Steine. So sah er aus wie ein Tisch, der nur noch gedeckt werden wollte, aber es fehlten die Stühle.Am Ende der Viali erreichten wir das Gut Montestigliano, das auf einem Hügel am Rande des Tales Piano di Rosia liegt. Das auffälligste an diesem Ort ist, das fast alle Häuser in der gleichen rotbraunen Farbe gestrichen sind, die an vielen Stellen schon wieder langsam abblättert.
Auch die Abfahrt von Montestigliono hinunter ins Tal Piano di Rosia, das wir vor weit mehr als einer Stunde verlassen hatten, hat es in sich. Die Schotterstraße geht hier so steil bergab, dass die Räder auf dem lockeren Untergrund einfach rutschten. Gut wieder auf der Straße angekommen, führte uns der weitere Weg direkt Richtung Grete.
Hinter der stark befahrenen Fernstraße223 Siena-Grosetto begann richtige Schotterstraße, eine jener Pisten, für deren Erhalt sich die Veranstalter der Eroica einsetzen. Dieses legendäre historische Radrennens wurde auch in diesem Jahr am letzten Septemberwochenende in Gaiole gestartet und verlief zu einem nicht unerheblichen Teil über solchen Pisten. Die Veranstalter beklagen dabei, das immer mehr dieser Straßen asphaltiert werden und damit ein typisches Merkmal der Toskana verloren ginge. Als Baumaterial hatte man gemahlenen Kalkstein verwendet. Jedes Auto wirbelte eine riesige weiße Staubwolke auf, die sich lange in der Luft hielt. Blickte man die Straße entlang, hatte man den Eindruck von Nebel, dabei war strahlender Sonnenschein. Zum Glück kamen nur sehr wenige Fahrzeuge hier entlang. Ab dem Ort Bognaia war dann wirklich Ruhe, fast kein Verkehr. Eigentlich wollten wir durch den Ort hindurchfahren, aber die Schotterstraße führte eindeutig um ihn herum. Wir folgten ihr. Das sollte sich als vorausschauender Entschluss herausstellen, denn dort wo wir wieder auf die Straße, die durch den Ort verläuft, trafen, war ein großes verschlossenes Tor. Dahinter sah alles sehr vornehm und gepflegt aus, alle Wege asphaltiert, kurz geschnittener Rasen und ein großer Parkplatz. Man konnte den Eindruck gewinnen, der ganze Ort sei in Privatbesitz, auch wenn wir keinen Hinweis darauf fanden, was sich wirklich hinter dem Tor verbarg.
Die Schotterstraße führte durch Wald immer weiter nach oben und es schien als würde sie kein Ende nehmen. Fast an ihrem höchsten Punkt, noch bevor wir das Castello di Grotti erreicht hatten, legten wir unsere erste bis hier her aber wohlverdiente Picknickpause ein. Kein Platz vorher hatte allen gestellten Kriterien, ausreichend Platz abseits der Straße, Schatten spendende Bäume und eine gute Aussicht über die Hügel der Grete erfüllt. Hier waren wenigstens die ersten beiden erfüllt. Unweit von unserem Rastplatz wurden Cinta Senese Schweine auf einer Weide im Wald gehalten. Edda opferte wieder einen ihrer Müsliriegel, um auch hier zum Masterfolg beizutragen, auch wenn die Tiere nicht so aussahen, als hätten sie diese Extrafütterung wirklich nötig.
Ein kleines Stück hinter unserem Rastplatz, wir hatten in etwa den höchsten Punkt unserer heutigen Tour erreicht, bot sich dann auch ein fantastischer Blick über die welligen, in verschiedenen Brauntönen gefärbten Ausläufer der Crete auf das entfernte Siena. Auch von hier wird die Silhouette der Stadt dominiert von den beiden markanten Türmen, dem Kampanile des Domes und dem Torre del Mangia. Leider lassen sich solche Eindrücke nur sehr schwer als Bild einfangen.
Kurz bevor wir Castello di Grotti erreichten, hatte dann auch das Schotterstück sein Ende. Die ehemalige Festung aus dem Mittelalter, die dem Ort seinen Namen gab, ist zu einem Herrenhaus umgebaut worden. Die zwei mächtigen Wachtürme, die hier ursprünglich einmal auf einem klotzigen Sockel standen, spielten auf Grund ihrer strategischen Lage eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Stadtrepublik Siena. Von hier aus, hoch über dem umliegenden Land bietet sich ein fast kompletter Rundblick, den aber nur noch die heutigen Besitzer genießen können.
Die Kirche di San Giovanni Battista in Corsano, die etwas abseits des heutigen Ortes liegt, gilt als eines der interessantesten Zeugnisse der sinesischen Romanik, auch wenn man dies dem großen Bau auf den ersten Blick nicht ansieht. Die Fassade wird durch Blind- und Hängebögen verziert, die von starken Pfeilern gestützt werden. Die Geschichte der dreischiffige Kirche reicht bis in das 10.Jahrhundert zurück. Am hinteren Ende auf der linken Seite erhebt sich der Glockenturm, massiv gemauert mit einem Aufsatz in dem zwei kleine Glocken zu sehen sind, die irgendwie nicht zur Größe des Kirchenschiffes passen. Man nimmt an, dass auch er bei Verteidigung von Siena eine Rolle spielte.
Nach dem wir die äußere Besichtigung abgeschlossen hatten, das Kirchenportal war wie erwartet verschlossen, entschieden wir uns, hier unsere Runde durch die Grete zu verkürzen, nicht mehr weiter Richtung Osten nach Radi, sondern Richtung Norden, Richtung Siena zu fahren.
Die Straße schlängelte sich durch die um diese Jahreszeit braune Hügellandschaft der Crete. Alle Varianten von Brauntönen sind vertreten, zwischendurch mal ein grüner Fleck eines noch nicht abgeernteten Feldes. Dem Lehm, der diesen Böden ihre typische Farbe gibt, verdankt das Gebiet südöstlich von Siena seinen Namen. In dem toskanischen Dialekt, der hier gesprochen wird, bedeutete Crete Lehm. Über diese Landschaft verteilt einzelne Höfe, mit der Straße durch eine Allee von Zypressen verbunden. Während der Fahrt sieht man vor sich immer wieder anders die Silhouette der langsam näherkommenden Stadt Siena. Wenige Kilometer bevor wir den äußeren Stadtrand erreichten sind wir dann in Richtung Sovicille abgebogen.
Vorbei am kleinen Flughafen von Siena führte uns unser Weg direkt zur Pizzeria, die wir so gut in Erinnerung behalten hatten. Diesmal war es jedoch ein Reinfall, denn man hatte sich kurzfristig entschlossen ausgerechnet heute von halb vier bis halb sechs zu schließen, und es war gerade kurz nach halb vier. Weiterfahren konnten wir auch nicht, denn der Einkauf beim Kaufmannsladen war dringend erforderlich da unsere Vorräte fast auf Null abgesunken waren. Der Laden öffnete aber erst in einer Stunde. Blieb uns nur, die Zeit bis dahin in der kleinen Bar am Platz vor der Kirche zu verbringen. Unser Nachmittagsmahl bestand somit aus einem großen Stück gesalzenem, mit Olivenöl gebackenem Weißbrot und zwei Bananen, dazu gab es Coca-Cola. Pünktlich um halb fünf standen wir vor der Tür des kleinen Lebensmittelladens und danach galt es , diesmal zum letzten Mal nach La Cetina hochzufahren. Den Anblick von Romitorio, hoch über der Villa Cetinale gelegen, sahen wir heute mit anderen Augen, kannten wir doch vieles seit gestern auch aus der Nähe. Damit sind nun die Tage in der Montagnola fast zu Ende. Morgen früh heißt es, Sachen packen, denn es geht weiter in die Nähe von San Gimignano.schaefer 2007-10-07