Pünktlich um zehn nach neun erreicht unser Zug sein Ziel, den Bahnhof Santa Maria Novella im Stadtzentrum von Florenz. Als erstes wollten wir uns hier die Fahrradkarten und -reservierungen für die Rückfahrt kaufen,
so wie es die Auskunft der Deutschen Bahn uns gegenüber für notwendig erklärt hatte. Diese Karten in Deutschland zu kaufen sei nicht möglich man könne es nur direkt in Italien Auch der Versuch von Bekannten, die in Parma waren, diese Karten dort zu erstehen, war vor einem Monat gescheitert. Das, was uns letztendlich am internationalen Schalter verkauft wurde, waren zwei Sitzplatzreservierungen mit dem Zusatzvermerk ,,CON BICI AL SEGUITO`` für zusammen 30,- Euro. Wie sich am Abend in unserem Quartier herausstellte, die Rückfahrkarten waren tief in unserem Gepäck vergraben, hatte uns die Deutsche Bahn im Prinzip die gleichen Tickets schon in Berlin verkauft, zusätzlich zu unserer Schlafwagenkabine, aber mit dem ausdrücklichen Hinweis, das der Kauf der Fahrradtickets inklusive Stellplatzreservierung für die Rückfahrt nur in Italien erfolgen könne.Florenz wollten wir auf dem schnellsten Weg verlassen. Eine ausgiebige Stadtbesichtigung hatten wir uns für unseren letzten Tag vorgenommen. Es erwies sich trotz des zeitigen Sonntagmorgen als recht langwierig, vom Bahnhof bis zum Piazzale Michelangelo zu
gelangen. Auf dem Weg dorthin mussten wir zweimal die Stecke einer größeren Laufveranstaltung kreuzen, die zu beiden Seiten des Arno stattfand. Noch folgten die Teilnehmer, mal einzeln, mal in kleinen Gruppen, so dicht, dass wir durch die Ordner am Überqueren der Uferstraßen gehindert wurden. Was für ein Laufwettbewerb hier ausgetragen wurde blieb uns verborgen. Auch nach unserer Rückkehr nach Berlin konnten wir in keinem Laufkalender einen Hinweis finden. Der Florenz-Marathon findet erst am 26.November statt.Um dem dichten Verkehr rund um Florenz aus dem Weg zu gehen, hatten wir kleine und kleinste Nebenstraßen ausgesucht. Diese waren dann stellenweise so eng, dass uns kein Auto hätte entgegenkommen dürfen. Und sie führten meist steil auf oder abwärts. Nach dem sehr mageren Frühstück, das uns im Schlafwagen serviert wurde, es gab für jeden ein wenig Gebäck und eine Art Croissants, waren wir auf solche
Anstrengungen nicht vorbereitet. Jetzt, kurz vor Mittag, zeigte die Sonne, welche Kraft sie hier auch noch kurz vor dem Herbstanfang entwickeln kann. Leicht erschöpft und mit riesigen Hunger hielten wir noch vor Impruneta am Straßenrand an und plünderten unsere mitgebrachten Vorräte an Müsliriegeln. Es wäre klüger gewesen, diese Pause eher, auf dem Piazzale Michelangelo einzulegen, auch wenn der ganze Rummel, der hier herrschte nicht sonderlich einladend auf uns wirkte. Von der Balustrade, die den Platz umgibt, hat man eine sehenswerte Aussicht über die Stadt und die ganzen bekannten Bauten am anderen Ufer des Arno, die von der mächtigen Kuppel des Domes überragt werden. Jeder Bus, der Florenz ansteuert, legt hier einen kurzen Stopp ein, damit sich die Reisenden vor dieser Kulisse ablichten können. Dementsprechend ist die berühmte Bronzestatue in der Mitte des Platzes umringt von Buden und fliegenden Händlern, die alles feil bieten, was sich einem Kurztouristen als Souvenir verkaufen lässt. Wir dazwischen wurden von einigen als dazugehöriger Bestandteil dieses Rummels angesehen, was uns veranlasste nach kurzer Zeit unseren Weg fortzusetzen, selbstverständlich erst nachdem die obligaten Panoramafotos von der Kulisse der Altstadt gelungen waren.Der nächste Ort, den wir passieren wollten, war total gesperrt. Hier in Impruneta fand das alljährliche Weinfest statt, und das gesamte Stadtzentrum war mit Bühnen und Buden zugestellt. An ihnen boten die umliegenden Weingüter Proben ihrer Weine an. Impruneta ist der erste der Weinorte des Chianti Classico Gebietes, dessen markantes Kennzeichen der ,,Schwarze Hahn``, der ,,Galo Nero``, ist. Entlang der Straße 222 von Florenz nach Siena liegen die meisten der bekanntesten Weinorte dieses Gebietes. Sie trägt daher auch den Namen Weinstraße oder ,,Via Chiantigiana``. Durch mehrere kleine Nebenstraßen, mal steil bergab, mal wieder steil nach oben, fädelt wir uns, um das abgesperrte Zentrum von Impruneta herum und erreichten schließlich eine Straße, die uns weiter in die von uns gewünschte Richtung brachte. In den Bereich des Weinfestes durften wir mit unserem Rad nicht, zudem wäre auch für die kürzeste Stippvisite der volle Obolus zu entrichten gewesen. Also kehrten wir dem Trubel den Rücken und fuhren etwas anders als geplant ins Val de Greve. Bei Il Ferrone vielen uns mehrere Terrakotta-Manufakturen durch überdimensionale Amphoren auf. Hier irgendwo saß vor einem kleinen unscheinbaren Laden ein älterer Mann auf einem Stuhl und hielt eine schon leere Espressotasse in der Hand. Der Versuchung eines frischen, heißen Espresso konnten wir nicht widerstehen. So aufgeputscht war das letzte Stück bis Greve auf fast ebener Straße schnell abgespult, fast zu schnell für die uns umgebende Landschaft. Aber der Hunger trieb uns nun zusätzlich an. In Greve, noch bevor wir das Zentrum erreichten, fanden wir dann endlich ein geöffnetes Restaurant. Obwohl schon weit nach der Mittagszeit waren noch immer fast alle Plätze besetzt. Das Essen war gut, reichlich und preiswert und wohl der Grund für den starken Andrang, der hier herrschte, während in den beiden in der Nachbarschaft liegenden, ähnlichen Lokalitäten kein Gast zu sehen war. Gut gestärkt von einer großen Portion Pasta und einem kleinen Gläschen Wein brachen wir zum letzten Abschnitt unseres ersten Tages in der Toskana auf.
Panzano, in dessen Nähe unser erstes Quartier befindet, liegt auf einer Bergkuppe. Auf dem höchsten Punkt steht die Kirche, so dass der Kirchturm von allen Seiten her schon von weitem zu sehen ist. Auf diesen letzten Kilometern bekamen wir einen ersten Eindruck, was uns in den nächsten Tagen erwarten würde. Langsam aber gleichmäßig kurbelten wir uns die Serpentinen nach oben. Schon vor der letzten Kurve parkten auffällig viele Fahrzeuge am Straßenrand. Am Orteingang verkündete ein großes, quer über die Straße gespanntes Banner, das an diesem Wochenende hier das Panzanoer Weinfest stattfindet. Wie sollten wir hier unsere Schlüsselhalterin finden, mit der wir uns auf dem Marktplatz treffen wollten. Dank moderner Kommunikationtechnik fanden wir recht schnell zueinander und kurze Zeit später folgten wir einem kleinen Lieferwagen, durch Gassen und Seitenstraßen den Trubel des Weinfestes umfahrend, nach Cecione, wo wir eine kleine Ferienwohnung bezogen.Da wir den ganzen Tag über an keinem geöffneten Lebensmittelgeschäft oder Supermarkt vorbeigekommen waren und wir, da heute Sonntag ist, auch nicht damit gerechnet hatten, brachen wir am Abend noch einmal zu Fuß nach Panzano auf. Das Restaurant, das wir uns ausgesucht hatten, war wohl das vornehmste im Ort, aber auch das einzigste das heute Abend geöffnet hatte. Neben uns hatte an einer größeren Tafel eine Gruppe Amerikaner platzgenommen. Es dauerte gar nicht lange und sie sprachen uns wegen unseres Tandems an. Sie hatten uns am Nachmittag schon am Rande des Weinfestes gesehen und interessierten sich sehr für unser Rad und unsere Tour.
schaefer 2007-10-07