Mo. 9.Oktober Certaldo Alto

38,6km; 690Hm

Certaldo, die Stadt des italienischen Dichters Boccaccio war das Ziel unsere heutigen Ausfluges. Von Fulignano aus starteten wir direkt nach dem Frühstück. Wir mussten noch einmal auf das nicht sehr überzeugende Angebot des Hauses zurückgreifen.

Auf der ,,Strada del Vino Vernaccia di San Gimignano``

Bild 1.83: Unterwegs auf der Strada del Vino Vernaccia di San Gimignano
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fuhren wir durch ausgedehnte Wienberge, alles weiße Weintrauben, zur Porta San Matteo, dem nördlichen Stadttor, durch das wir gestern San Gimignano verlassen hatten. Von hier geht es erst einmal ein Stückchen bergab, vorbei an den neuen Wohnsiedlungen von San Gimignano, bevor der nächste Anstieg folgt. Fast am höchsten Punkt zweigt dann von der Straße nach Volterra eine kleine Nebenstraße in Richtung Norden ab, die immer auf einem Höhenzug verläuft. Zu beiden Seiten kann man zum Teil weit über das Land blicken, über Olivenhaine und Weinberge, die markante Silhouette von San Gimignano im Rücken.

Bild 1.84: Die Wallfahrtskirche in Pancole
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In Pancole führt die Straße unter der dortige Wallfahrtskirche hindurch, in einem Bogen durch eine nicht sehr breite Durchfahrt. Die Kirche ist 1670 aus Anlass eines hier zwei Jahre zuvor geschehenen Wunders, der Heilung einer jungen taubstummen Frau, über der Straße errichtet worden. Nach der Zerstörung durch die deutschen Wehrmacht wurde sie 1949 neu aufgebaut. Auf der einen Seitentreppe weist eine Gruppe lebensgroßer Figuren in biblischen Gewändern den Weg zu einem kleinen Raum unterhalb der Kirche. Die Tür war fest verschlossen und durch das kleine Fenster war in der Dunkelheit, die in dem Raum herrschte, nicht zu erkennen, welche Besonderheit sich hier verbarg. Für das Jahr 2000 war die Kirche als heiliger Ort ausgewählt worden, konnten wir auf einer mehrsprachige Tafel lesen. Vermutlich sind die Figuren aus diesem Anlass aufgestellt worden und stehen im Zusammenhang mit den wundersamen Ereignissen, die den Bau der Wallfahrtskirche auslösten.

Das Gut Pancole ist aber auch für seinen vorzüglichen Vernaccia bekannt der auf den umliegenden Weinbergen angebaut wird. Von der Terrasse, die das Kirchengebäude umgibt, hat man einen schönen Blick auf die Umgebung des Ortes.

Bild 1.85: Die Villa del Monte
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Einige Kilometer weiter, die erst von dichten Bäumen gesäumt werden, lag dann die Villa del Monte direkt vor uns. Von weitem wirkt diese wie eine Festung, umgeben von einer hohen Mauer, die auch die Parkanlage mit ihren Jahrhunderte alten Pinien umschließt. Durch die massiven Türme wird dieser Eindruck noch verstärkt. Mehrere Zypressenalleen führen zu diesem alten Familiensitz. Auch die Straße auf der wir weiter nach Certaldo fuhren, wurde zu beiden Seiten von großen, alten Zypressen gesäumt. Das einzige was dieses Bild störte, war der noch nicht fertiggestellte Neubau einer supermodernen Villa aus Glas und Beton, die sich gar nicht in diese Landschaft einfügen will und auf uns wie ein Fremdkörper wirkte.

Die Altstadt von Certaldo thront auf einem Hügel hoch über der etwa vor 100 Jahren entstandenen Neustadt. Nach dem wir den Fluss Elsa, der hier schon eine beachtliche Breite einnehmen kann, überquert hatten, gelangten wir in das Zentrum der Unterstadt zum Piazza Boccaccio, dem zentralen Platz der Unterstadt. Mitten auf diesem Platz steht ein Denkmal für den italienischen Literaten, der hier 1375 starb. Auf ihn geht die erste Vollständige Übersetzung Homers ins lateinische zurück. Sein wohl bekanntestes Werk ist das ,,Decamerone``.

Bild 1.86: Blick auf Certaldo Alto
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Hier schlossen wir unser Rad direkt zwischen der Kirche und der kleinen Bar und Pizzeria mit dem Namen Boccaccio an. Die Pizza, die es dort gab, war bei weitem nicht so berühmt wie der Namensgeber. Nach dieser Stärkung ging es zu Fuß weiter. Dies schien uns nach den Erfahrungen der letzten Tagen einfacher, als wieder mit dem Rad durch die engen Gassen zufahren. Mit der Standseilbahn, die alle Viertelstunde fährt, gelangten wir von der nahegelegenen Talstation hoch zur Altstadt.

Im Unterschied zu San Gimignano waren hier kaum Touristen unterwegs. Nur wenige streiften so wie wir durch die schmalen Gassen und genossen die Ausblicke von der ehemaligen Stadtmauer, die noch fast vollständig erhalten die Oberstadt von Certaldo umschließt. Der Eindruck, sich in einer Festung zu befinden, wird durch die einheitlich rötliche Farbe der Ziegelsteine verstärkt, aus denen fast alle Häuser erbaut sind und die auch zum Pflastern der Straßen benutzt wurden. Vielen der Häuser sieht man an ihren Fassaden an, dass sie etliche Male in den vergangenen Jahrhunderten umgebaut wurden. Zugemauerte romanische Bögen werden durch gotische Fenster unterbrochen. Auch heute wohnen hinter vielen der alten Mauern noch Menschen, einfache aber anscheinend auch sehr wohlhabende. Auf einem kleinen neu angelegten Spielplatz tobten einige Kinder. Vom Hof des Palazzo Stiozzi gehen die Eingänge zu mehreren sehr vornehm wirkenden Wohnungen und Villen ab.

Bild 1.87: Ansicht von Certaldo Alto
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Das dominierende Gebäude von Certaldo Alto ist sicherlich der Palazzo Pretorio. Er steht am höchsten Punkt des Ortes am Ende der Via Boccaccio und bildete das Zentrum des ehemaligen Kastells. Wir sind auf kleinen Gassen immer am Stadtrand entlang zu diesem Platz gelangt. Die Fassade des Palazzo ist mit etlichen Wappen, den Familienwappen der ehemaligen Stadtvögte geschmückt, die nach der Unterwerfung durch Florenz hier regierten. In das in den ehemaligen Amtsräumen eingerichtete Museum, warfen wir nur einen kurzen Blick. Der kleine Innenhof ist mit weitere Wappen verziert. In seiner Mitte steht ein kleiner Brunnen.

Ein Stückchen weiter die Via Boccaccio abwärts kamen wir zum Museum Arte Sacra. Hier werden Altartafeln, Skulpturen und andere Kirchengeräte aus den umliegenden Kirchen gesammelt und ausgestellt. Im Innenhof des ehemaligen Klosterkonvents waren außerdem einige schmiedeeiserne Tierskulpturen eines neuzeitlichen Künstlers ausgestellt. Direkt daneben, in der Klosterkirche wurde der Renaissancedichter beigesetzt. In seinem Wohnhaus befindet sich eine kleine Gedenkstätte mit Bibliothek.

Überall in der Altstadt bereitete man sich auf ein am kommende Wochenende stattfindendes Großereignis vor. Es ist aber nicht das bekannteste Festival. Das Musik- und Theaterfestival ,,Mercantia`` findet alljährlich im Juli statt. Aber auch jetzt waren die Gassen und kleinen Plätze schon mit Fahnen geschmückt. Plakate kündeten an vielen Stellen von dem bevorstehenden Ereignis.

Bild 1.88: Historische Art der Straßenbeleuchtung
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So wie wir hoch gekommen waren, mit der Standseilbahn, fuhren wir auch wieder hinunter. Nach wenigen Minuten Fahrt standen wir wieder auf der Piazza Boccaccio. Dank der Beschreibung des Pizzabäckers war der große Coop in der Neustadt, die von einem Netz schmaler Einbahnstraßen durchzogen wird, schnell gefunden. Je größer so ein Supermarkt, desto länger dauert es bis man all das wenige was man sucht auch gefunden hat.

Von Certaldo und seinem Verkehrsgewühl, die Hauptverkehrsstraße 429 zwängt sich auf zwei Einbahnstraßen durch die Neustadt, fuhren wir auf fast direktem Weg zurück, auch wieder auf einer kleinen Straße, die das erste Stück bis Ulignano durch jeden kleinen und kleinsten Ort, jeder auf einem anderen Hügel liegend, führte bevor sie wieder im Val de Elsa ankommt. Die nächsten Kilometer bis zum Abzweig nach Casaglia waren dagegen fast so eben und flach wie das Berliner Umland, ein Fahrgefühl, das wir in den letzten zwei Wochen nicht mehr erlebt hatten. Danach hieß es dann wieder steil nach oben, manchmal nur mit Schrittgeschwindigkeit.

Wie gestern Abend stiegen wir als erstes nach unserer Ankunft in den Swimmingpool, auch wenn dessen Wassertemperatur es durchaus mit den Brandenburger Gewässern um diese Jahreszeit aufnehmen kann, nicht mehr als 16 Grad, für eine kräftige Abkühlung gerade richtig.

schaefer 2007-10-07